15. August 2011

"Das Drama der Selbstdesillusionierung des bürgerlichen Denkens"

Da Sie so etwas nicht in der OZ zu lesen bekommen, der Hinweis darauf:


... es geht heute nicht allein um falsches oder richtiges politisches Handeln. Es geht darum, dass die Praxis dieser Politik wie in einem Echtzeitexperiment nicht nur belegt, dass die gegenwärtige „bürgerliche“ Politik falsch ist, sondern, viel erstaunlicher, dass die Annahmen ihrer größten Gegner richtig sind.
„Globalisierung bedeutet nur, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler jeder Nation verteilen.“ ...

Das komplette Drama der Selbstdesillusionierung des bürgerlichen Denkens spielt sich gerade in England ab. In einem der meistdiskutierten Kommentare der letzten Wochen schrieb dort Charles Moore: „Es hat mehr als dreißig Jahre gedauert, bis ich mir als Journalist diese Frage stelle, aber in dieser Woche spüre ich, dass ich sie stellen muss: Hat die Linke nicht am Ende recht?“ Moore hatte das vor den Unruhen geschrieben und ohne jede Vorahnung. Ehrlich gestanden: Wer könnte ihm widersprechen?
... Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen. ...

Ein Bundespräsident aus dem bürgerlichen Lager, von dem man sich ständig fragt, warum er unbedingt Bundespräsident werden wollte, schweigt zur größten Krise Europas, als glaube er selbst schon nicht mehr an die Rede, die er dann halten muss. Eine Ära bürgerlicher Politik sah die Deklassierung geistiger Arbeit, die schleichende Zerstörung der deutschen Universität, die ökonomische Unterhöhlung der Lehrberufe. Frau Schavan ist inexistent. Dass Gesundheit in einer alternden Gesellschaft nicht mehr das letzte Gut sein kann, weil sie nicht mehr finanzierbar sein wird – eine der großen Wertedebatten der Zukunft, die jede einzelne Familie betreffen wird, zu der man eine sich christlich nennende Partei gerne hören würde, ja hören muss –: kein Wort, nichts, niemand.

Schließlich: Der geradezu verantwortungslose Umgang mit dem demographischen Wandel – der endgültige Abschied von Ludwig Erhards aufstiegswilligen Mehrheiten - macht in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos. ...

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