17. März 2011

Für Wahlwillige

Nach der seitenweisen Berichterstattung über die Wahl in Hamburg muss ich davon ausgehen, dass die OZ alle Landtagswahlen in diesem Jahr ebenso weitschweifig wie nutzlos für die Leser abhandeln wird. Dabei gäbe es Themen, die den Lesern in M-V Hintergrund lieferten, der allerdings auch im bösenbösen Internet kostenlos (Spende möglich) gelesen werden kann.
Ein Beispiel:

Störfall Mappus
Die momentan angedachte Kehrtwende in der Atompolitik ist für Stefan Mappus nicht nur ein ideologischer GAU. Unter der Regie von Mappus investiert das Land Baden-Württemberg momentan rund sechs Milliarden Euro in Deutschlands größtes Kernkraftunternehmen – die EnBW. Was bereits ohne Wende in der Atompolitik eine riskante Spekulation mit dem Geld des Steuerzahlers darstellt, erscheint im Lichte der aktuellen Diskussion als gigantisches Fehlmanagement. Die Rechnung wird in jedem Falle der Steuerzahler bezahlen. Schlauerweise hat Mappus jedoch dafür gesorgt, dass das Ausmaß der Verluste erst nach den Landtagswahlen offenbar wird. ...

Da sich die Demokratie in D. schleichend immer weiter auf das Wählen beschränkt (kein OZ-Thema, denn dann wäre jegliche Seitenfüllung mit Wahlergebnissen und Gequatsche darüber überflüssig und könnte nicht mehr als kritischer Hochwertjournalimus gegen Geld angeboten werden), hier etwas zum Nachdenken (kein Thema für die OZ):

Lucas Zeise – Hoffentlich staatspleitenversichert
Es gibt immer wieder neue Methoden, wie man die Finanzkonzerne päppeln kann. Die Euro-Länder sind dabei, sie alle durchzuprobieren.
Die jetzt gewährten Kredite und die bald unvermeidlichen direkten Zahlungen an die Problemländer dienen dazu, den Finanzsektor im Empfängerland sowie im eigenen Land zu schützen. Das ist seit Ausbruch der Finanzkrise der eigentliche Sinn deutschen (und französischen) Regierungshandelns. Es gilt die oberste Maxime, die Finanzinstitutionen im eigenen Land, ihre Aktionäre und Gläubiger vor jeglichem Schaden zu bewahren.
Für Paul Achleitner, Vorstandsmitglied des größten Versicherungskonzerns der Welt – der Allianz -, ist das bereits selbstverständlich. Daher kommt seine Idee, der Staat – in diesem Fall die EU – möge doch bitte sehr eine Versicherung für Staatsanleihen schaffen. Nicht genug damit, dass der deutsche Staat 2008 der Allianz die Dresdner Bank abnahm, indem er frisches Kapital in die Commerzbank einschoss und den Versicherungskonzern damit vor Verlusten im hohen zweistelligen Milliardenbereich bewahrte. Es müssen eben immer neue Methoden her, wie der Staat die Finanzkonzerne päppeln kann. Mit einem staatlichen Schutz vor einer Staatsinsolvenz würden Allianz und die anderen auch frohgemut weiter die Einnahmen aus den staatlich geförderten, sprudelnden Riester-Rente-Prämien in riskante Staatsanleihen investieren. So wird der Rückzug des Staates aus der klassischen Altersrente über die Milliardenvorsorge für private Versicherungskonzerne halt noch teurer. ...

Oder dies (kein Thema für die OZ):

Hypo Real Estate
Die Geretteten
Für die Sanierung der Pleitebank HRE fließen zweistellige Milliardensummen aus Steuergeldern. Aber die Regierung hält die Namen der Kreditgeber geheim, die auf Staatskosten freigekauft wurden. Die Bürger müssen zahlen, aber für wen, das sollen sie nicht wissen. Wir dokumentieren die Liste der Geretteten – die bisher keinen Cent zur Rettung beitragen müssen. ...

Sie werden staunen, wer alles dabei ist. Sie werden staunen, das Sie höchstens mit einem Mikrobeitrag dabei sind, denn Ihnen wurde (alles per Medien) allerlei vorgelogen, vor allem, dass es gut für Sie sei, denn ausgerechnet Ihr Geld werde gerettet - alles nur, um im Handstreich mit Ihrem Geld die Gläubiger vor Verlusten zu bewahren.

Nicht die Banker, sondern die Bürger habe man retten müssen, verkündete die Kanzlerin später. Und Hannes Rehm, der Leiter des kurz darauf eingesetzten Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin), verstieg sich sogar zu der Behauptung, die „über 100 Milliarden Euro ungesicherten Verbindlichkeiten“ würden „zum überwiegenden Teil bei Renten-, Sozialversicherungen und Kirchenkassen liegen“.

Doch anstatt den Beweis für ihre Behauptungen zu führen, erklärten sie die Daten über die Begünstigten der Bankenrettung zum Staatsgeheimnis. ...

Klar, weil Sie zahlen sollten und nicht Ihr Geld gerettet werden musste.

Klar ist zum Beispiel, dass nicht in erster Linie „Kirchenkassen“ (Einlage: 392 Millionen Euro), sondern ausländische Großbanken und Fondsverwalter gerettet wurden, die mehr als 40 Milliarden Euro im Feuer hatten. Deutlich wird auch, dass die Bayerische Staatsregierung der Kanzlerin einmal mehr dankbar sein muss, weil ihrer ohnehin maroden Landesbank weitere zwei Milliarden Euro Verlust erspart blieben. Gefragt werden kann aber auch, warum so viele öffentliche Pensionskassen oder der WDR das Geld ihrer Beitragszahler riskierten. Und endlich kann nun anhand harter Zahlen die Debatte geführt werden, ob und wie die Geretteten an den Kosten beteiligt werden können. Die Diskussion ist wieder offen.
Ja? in der OZ ist sie es nicht. Dabei ist die nächste Krise so sicher wie das Amen in der Kirche, und OZ-Leser werden bildlich wieder wie 2008 aus dem Mustopf kommen.
Dazu noch ein Kommentar:

... Zeit, sich daran zu erinnern, wie sich die Bundesregierung seinerzeit bei der Rettung der HRE von Ackermann über den Tisch ziehen ließ. Keine deutsche Bank hätte die nächsten Tage überlebt, so Ackermann und die Kanzlerin treu doof verkauft den Deal später damit, dass man nicht die Banker, sondern die Bürger habe retten müssen. Aber wer hat denn damals der HRE Geld für Ihre Fehlspekulationen zur Verfügung gestellt? Harald Schumann hat im September 2009 die bisher amtlich geheim gehaltene Liste der unbesicherten Gläubiger der HRE zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Rettungspakets dokumentiert, die z.B. aufzeigt, dass etwa zur Hälfte ausländische Großbanken und Fondsverwalter gerettet wurden. Und bei den deutschen Anlegern fragt man sich, warum sie nicht an den Kosten der Rettungsaktion beteiligt wurden. ...

Dass andere Blogger ähnlich über die bildlich vielfach amputierte Demokratie denken wie ich, sei hier belegt, vor allem aber als Denkanstoß gedacht (nicht für OZ-Redakteure, sondern die Blogleser):

... Die Säulen der Diktatur

Eine dieser Säulen ist Regierungshandeln, das sich an die gesetzlichen Grundlagen nicht hält, von denen es seine Legitimation bezieht. Besonders hässlich wird solches Handeln, wenn es sich gegen Bürger und ihre Rechte wendet, wenn es als Notstandshandeln deklariert wird, wo keine Not ist und wenn es Populismus mit falscher Autorität verbindet. In allen diesen Angelegenheiten ist der aktuellen Bundesregierung ein Zeugnis auszustellen, das um die Bewertung “antidemokratisch” nicht herumkommt. Drei Beispiele dazu:

Erstens das Auftreten zu Guttenbergs. Das durch ihn und seine Förderer ausgelöste Revival der Verehrung von Adel, Kommiss und Autorität war genau die Art von verantwortungslosem Populismus, die jeden noch annähernd politischen Diskurs zum Erliegen bringt. Was Lafontaine – der inhaltlich meist richtig lag – jahrelang unterstellt worden war, hat Guttenberg verkörpert. Er hat bar jeden Inhalts und entgegen einer Reihe grober Fehlentscheidungen ganz auf Beliebtheit gesetzt. Selbst als überführter Blender und trotz klaren Rechtsbruchs wollten die meisten der Seinen an ihm festhalten. Das ist durchaus alarmierend.
Zweitens der Umgang mit den Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts. Die sogenannte “Reform” von Hartz IV ist in allen Details ein Verstoß gegen ein Urteil des BVerfG, das alle diese Details bereits angemahnt hat.
Es geht einher mit einer von Politik und Medien betriebenen Entwürdigung von Hilfeempfängern, die hier oft genug thematisiert worden ist. Vor allem aber zeigt es eine erschreckende Ignoranz gegenüber der Verfassung und ihren Institutionen. Hier hört der Rechtsstaat auf, einer zu sein. Wer so verfährt, dem ist alles zuzutrauen.

Ein kleines Notstandsgesetz

Drittens die aktuelle Entscheidung zur Abschaltung einer Reihe von Kernkraftwerken. Diese Entscheidung entbehrt jeder denkbaren Legitimation. Sie ist wahrscheinlich wieder einmal verfassungswidrig. Sie beruft sich auf einen Notstand, der nicht herrscht. Der angebliche Notstand herrscht entweder unbemerkt seit über dreißig Jahren oder er ist nur vorgeschoben, um die verfassten Institutionen zu umgehen. Beides ist gleichermaßen verwerflich. Hinzu kommt, dass eine Begründung für diese Maßnahme durch diejenigen, die sie gegen den Beschluss des Bundestages eigenmächtig durchführen wollen, völlig unmöglich ist. Es sind dieselben, die auf Basis unveränderter Fakten noch vor einer Woche behauptet haben, es herrsche vollkommene Sicherheit. Die hat sich jetzt in einen Notstand verwandelt, der die Rechte des Parlaments außer Kraft setzt?

Wer so mit dem Rechtsstaat verfährt, offenbart eine gefährliche Gesinnung. Es wäre äußerst fahrlässig, solchen politischen Extremisten die Regierung anzuvertrauen. Hier zeigt sich einmal mehr eine Schwachstelle in der Konstruktion der Bundesrepublik: Es gibt keine namhaften Sanktionen gegen den Missbrauch der Regierungsgewalt und deren fortgesetzten Bruch der Verfassung. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen in Form einer einklagbaren demokratischen Kontrolle. Ansonsten ist es nur eine Frage der Zeit, dass Demokratie und Rechtsstaat völlig der politischen Willkür geopfert werden.  ...

Alles keine Themen für die OZ, weil sich damit nicht Seiten blitzschnell füllen lassen, weil nicht regierungsergeben und unternehmerfreundlich gescherieben werden könnte. Stattdessen wurden Ihnen Wahlergebnisse und Bonzenkauderwelsch verkauft und werden verkauft werden.

P.S.:
In Belgien wurde am 13. Juni 2010 ein neues Parlament gewählt. Eine neue Regierung hat Belgien 277 Tage später immer noch nicht. Da macht wählen erst recht Spaß - kein Thema für die OZ.

1 Kommentar:

  1. Manfred Peters17.3.11

    „Er hat bar jeden Inhalts und entgegen einer Reihe grober Fehlentscheidungen ganz auf Beliebtheit gesetzt. Selbst als überführter Blender und trotz klaren Rechtsbruchs wollten die meisten der Seinen an ihm festhalten. Das ist durchaus alarmierend.“
    Noch alarmierender ist, dass unsere geborene Kanzlerhamburgerin den „Sprachblasenduktus“ des Blenders übernommen hat.
    „Im Lichte der Erkenntnis“ wurde ohne Fußnote mindestens sechsmal* in ihrer auch sonst nur peinlichen Atomenergie-Rede plagiiert.
    Die veröffentlichte Meinung sagt ja im Moment den Japanern eine große Leidensfähigkeit nach, wer misst die Leidensfähigkeit des Deutschen Michels?
    * ich habe danach aufgehört zu zählen

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