18. November 2010

Gelernt ist gelernt

Eine heile Ein-Euro-Welt schrieb der Ribnitzer Lokalchef zusammen (Danke für den Hinweis!), deren bildliche Balken sich gar mächtig bogen. Das erinnerte mich daran, dass er darin geübt ist als einstiger Redaktionssekretär des SED-Bezirksorgans, in dem er auch im Sommer und Frühherbst 1989 mit bildlich schmissigen Kommentaren den Sieg des Sozialismus pries.

Die Schlagzeile:
Schaufeln keinen Wind um die Ecke
Kein Kommentar von mir.

Ist dieser Einstieg nicht nett, geradezu rührend?:
Vorsichtig leimt Thomas Cielaszyk (47) ein kleines Brettchen auf die künftige Galerie der Miniatur-Windmühle. „Wir hoffen, dass sie noch vor Weihnachten fertig wird und ihren Platz vor dem Gebäude des Vereins für Arbeit und Qualifizierung in der Rostocker Straße findet“, bezieht er Projektbetreuer Frank Herlitz (46) und Uwe Stachowiak (52) dabei ein. ...
Nur nebenbei: Der Betreuer sagte es nicht, sondern bezog ein. Wie viele Jahre muss der Lokalchef geübt haben, um so etwas abzusondern?
Welch eine Idylle? Wer möchte da nicht dazugehören?

Und so erklärte der Bürgermeister, was sog. Ein-Euro-Jobs sind:
Im Jahresdurchschnitt sind es rund 220 Ein-Euro-Jobber, die in Ribnitz-Damgarten und Umgebung ihren Dienst tun. „Sie verrichten Arbeiten, für die Stadt sonst keinen Cent zur Verfügung hätte. Deshalb nehmen diese Frauen und Männer auch Firmen nicht einen einzigen Auftrag weg“, betont Bürgermeister Jürgen Borbe die Bedeutung dieser Kräfte.
Der Lokalchef plappert den Unsinn nach, wie einst die Direktiven aus dem Hause SED.
Es ist schwer zu verstehen, was der Bürgermeister meinte. Gesetzt den Fall, er meinte, für die Pflichtaufgaben der Kommune müsse das Geld ausgegeben werden, für alle anderen nicht, ist die Begründung Unsinn. Hat die Kommune zusätzliche(?) Aufgaben übernommen, beispielsweise diese im Text beschriebene:
Mit ihrer Arbeit sorgten sie dafür, dass die Stadt sauber und ordentlich sei, freut sich der Verwaltungsleiter. (Er sagt es nicht, sondern freut es. Wie viele Jahre muss der Lokalchef geübt haben ...?)
liegen Bürgermeister und Nachplapperer falsch. Im Hartzgesetz steht nicht: Nehmt euch Ein-Euro-Sklaven für alle Arbeiten, für die ihr sonst kein Geld hättet. Das ist, freundlich ausgedrückt, eine Fehlinterpretation, um die Ärmsten der Armen, jene, die sich nicht dagegen wehren können, hemmungslos auszubeuten, was der Lokalchef völlig normal findet.
Ansonsten sei angemerkt, dass auch der Projektbetreuer, die Ein-Euro-Sklaven und allerhand weiteres Personal mit Steuergeld bezahlt werden (Mit wie viel im Jahr?), was dem Lokalchef piepegal ist.

Zum Schluss veredelte der Autor seine Schönschrift noch mit diesem Quark:
Manchem (Ein-Euro-Slaven) sei es — so gestärkt — gelungen, anschließend einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten.
Manchem? Wie vielen in welchem Zeitraum?
Und welchen direkten Zusammenhang gab es zwischen der Ein-Euro-Sklaverei und der Arbeitsaufnahme?
Was sind das für Tätigkeiten?
Für wie lange hatten die Ex-Sklaven die Stellen?
Wie viele von sind inzwischen wieder arbeitslos?
Sie brauchen den Lokalchef so etwas nicht zu fragen. Er weiß es nicht, und es interessiert ihn auch nicht. Fragte er nach, prüfte die Antworten und schriebe es auf, schädigte das nur seine Propagandaschrift.

4 Kommentare:

  1. Schön, dass sich dieser Verwaltungsleiter, von jeder Sachkenntnis unbelastet, freut, dass seine Stadt so sauber ist. Davon, dass jüngst der Bundesrechnungshof gerade diese kommunalen Arbeiten kritisierte, hat er wohl noch nichts gehört. Und wohl auch nicht davon, dass "Ein-Euro-Jobs" nur zulässig sind, wenn dieser eine "EEJ" gerade für diesen einen ALG II-Berechtigten geeignet und erforderlich ist. Dies ist wohl so gut wie nie der Fall (erst recht nicht bei 220 Leuten), weshalb der "EEJ" die absolute Ausnahme sein sollte und allein wegen des Missbrauchs abgeschafft gehört.
    Die Kritik von SPD und Grünen, nach der Veröffentlichung des BRH-Berichtes, an der jetzigen Praxis der "EEJ", ist aber auch scheinheilig. Waren es doch sie, die die Arbeitsgelegenheiten im SGB II einführten, obwohl es bereits vor dem Inkrafttreten von Hartz IV durchaus Kritik gab, z.B. hier: http://www.diakonie-braunschweig.de/opencms/export/sites/DiakonischesWerk/_system/Organisation/DW-Geschaeftsstelle/Dateien/position-arbeitsgelegenheiten.pdf

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  2. Anonym19.11.10

    Ja, die Ein-Euro-Jobwelt ist soo herrlich und manchem "bringt es etwas"

    Betreibern dieser Jobs bringts was, sonst Keinem!

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  3. @ G. Kochhan
    "Schön, dass sich dieser Verwaltungsleiter, von jeder Sachkenntnis unbelastet, freut, dass seine Stadt so sauber ist."

    Schlimm, dass der Aufschreiber ebenso frei von der Last der Sachkenntnis ist, sich indirekt mitfreut und für diese elende Propaganda von den Lesern Geld verlangt.
    Aber gelernt ist eben gelernt.

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  4. @ G. Kochhan
    Glatt vergessen: Danke für den Link!
    Den Inhalt der pdf-Datei sollten sog. kritische Hochwertjournalisten auswendig lernen, damit sie in die Lage geraten, eine journalistische Leistung zu erbringen.
    Sollten sie damit überfordert sein, wäre das Auswendiglernen dieser zwein Sätze ein schöner Anfang:

    Der Begriff „1 – 2 Euro Jobs“ wird hier nicht verwendet, weil er irreführend ist. Der gewährte Mehraufwand ist keine Entlohnung, es besteht kein Anspruch auf eine
    bestimmte Höhe der Mehraufwandsentschädigung und es werden keine Arbeitsplätze („Jobs“) geschaffen. Diese Arbeitsgelegenheiten können die von den Arbeitsuchenden erwünschten Arbeitsplätze nicht ersetzen.

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