9. September 2010

Über Gewohnheit

Ich hatte berichtet, wie die OZ einen Häftling nachfragen ließ, das mittlerweile mehrfach an die Leser verkaufte, statt sich auf das Informationsfreiheitsgesetz zu berufen und selbst nachzufragen. Heute, nachdem die OZ die Geschichte zur Titelgeschichte machte, wurde in einem Kommentar auch die Ausrede mitgeliefert, aufs Nachfragen zu verzichten und andere die Arbeit machen zu lassen:
... Das Urteil taugt noch nicht einmal als Beleg für die Wirksamkeit des neuen Informationsfreiheitsgesetzes. Denn wer nicht, wie der Geiselgangster aus Bruchsal, Prozesskostenbeihilfe bekommt, kann sich ein Tauziehen mit Behörden finanziell kaum leisten. So ist das viel gelobte Gesetz nicht das Papier wert, auf dem es steht.
Prozesskostenbeihilfe? Dann scheint es der OZ doch schon dreckig zu gehen.

Klar, wer sich daran gewöhnt hat, Informationen und Scheininformationen umsonst geliefert zu bekommen (Agenturmaterial muss allerdings bezahlt werden), wer meint, Einladungen zu Pressegesprächen sind schon der halbe Artikel, wird nicht nur träge, sondern scheut auch die Geldausgabe.

Genau umgekehrt wird daraus der bildliche Schuh:
Die Behörden sind daran gewöhnt, dass sich Journalisten in Pressegesprächen und am Telefon mit 08/15-Antworten abspeisen lassen, sind daran gewöhnt, dass Journalisten Auskünfte nicht erzwingen. Nur wenn die Behörden an die gegensätzliche Verfahrensweise von Journalisten gewöhnt werden, wenn es also Alltag wird, dass Journalisten einfach ihr Handwerk erledigen, nämlich nachfragen und weitere Quellen erschließen, wenn Behörden stets damit rechnen müssen befragt zu werden, ohne selbst zum Pressegespräch eingeladen zu haben, wenn sie vor allem damit rechnen müssen, dass von ihnen auf dem Gerichtsweg Auskunft erzwungen wird, erst dann hat das Gesetz (Das wer gelobt hat? Ich kennen niemanden.) überhaupt einen Sinn und erst dann können kritische Hochwertleistungen entstehen, erst dann lohnte es sich, Geld für die OZ auszugeben. Doch dazu müsste sich sog. Journalisten schlechter Gewohnheiten entledigen, sich vom Kopierer und Nachplapperer zum Journalisten entwickeln. (Umstrukturieren und modernisieren nützen gar nichts, sondern verkleistern bildlich nur die Mängel.) Dazu finde ich in der OZ jedoch leider kein Potential.

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