12. April 2010

Was wichtig und was langweilig zu sein hat

Ist schon beschämend, womit die Greifswalder Zeitung nicht Zeilen sondern Spalten (344 Wörter) schindet und das auch noch mit einem Langweiler (als wolle sich die Redaktion das Recht auf den Langweiler eines jeden Tages erschreiben):
Preußisches Recht soll Greifswalds Kreisfreiheit retten
... Mit einem historischen Coup plant der FDP-Landtags- und Bürgerschaftsabgeordnete Sebastian Ratjen die Kreisfreiheit zu retten. „Die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern hat das preußische Recht vor 1933 zu achten“, sagt er. Deshalb stehe Greifswald auch künftig die Eigenständigkeit zu. ...
Achja? Und warum ist das Recht von vor 1933 zu achten? Antwort fehlt.
Mehnert erinnerte (1915) daran, dass Preußens König 1815 den Bewohnern des ehemaligen Schwedisch-Pommern und Rügens „für immer (...) die wohlerworbenen Rechte, Privilegien und Freiheiten“ zusicherte. ...
Und wenn es keinen zusichernden König mehr gibt, was dann? Antwort fehlt.

Dafür erhielt die OZ einen Leserbrief:
Provinzposse
Gott sei dank bezieht sich Herr Ratjen nicht auch noch auf das "Recht des Stärkeren" oder "das Naturrecht". Könnte ein Universitätshistoriker Herrn Ratjen bitte erklären, dass es zwischen dem Preussen des Jahres 1815 und dem heutigen Bundesland M-V einige Entwicklungsstufen gab? ...

Eine Kreisgebietsreform ist zweifellos von Nöten, dass der aktuelle Entwurf jedoch die beste Lösung ist, kann bezweifelt werden. Wenn rechtlich gegen die Reform vorgegangen werden soll, dann doch bitte mit Niveau und politischen Arguemten. ...
Und auch diese 322 Wörter waren so überflüssig wie ein Kropf, jedenfalls so, wie sie den Lesern angedreht wurden:
Landeskirche begeht Jahr der Taufe
Nur noch eine Minderheit bekennt sich in Mecklenburg-Vorpommern zum christlichen Glauben und lässt sich taufen. ...
Wie klein ist die Minderheit? Sie erfahren es gegen Ende des Artikels (ich ziehe es vor) nur als Bruchstück, als Ausschnitt, aus der OZ,
Laut Kirchenstatistik wurden 2006 in Mecklenburg-Vorpommern rund 2500 Menschen evangelisch getauft, zwei Jahre später waren es nur noch 2300. Die Taufe allein sichert den Gemeinden keine aktiven Mitglieder. 80 Prozent der Getauften im Land stünden ihrer Kirche distanziert gegenüber ...
denn darauf kam es nicht an, sondern allein darauf, für die Taufe Reklame zu machen.

Statt das Ereignis zu nutzen, um einen kritischen Beitrag zu verkaufen, wurde gelabert:
In den Symbolen dieser Zeremonie, dem Wasser und dem Licht der Taufkerze, sieht der Greifswalder Pfarrer Martin Wiesenberg dennoch eine starke Kraft, an der möglichst viele teilhaben sollen.
„Die Taufe gibt dem Menschen eine Ewigkeitsperspektive, aber auch einen starken Halt im Leben“ ...
Häh?
In vielen Gemeinden würden darum „Tauferinnerungsfeste“ angeboten. Alle Teilnehmer bekommen vom Pfarrer einen Segensspruch und ein Wasserzeichen in die Hand gezeichnet. „Das ist oft sehr bewegend“, berichtete Wiesenberg. Wie eine „Wandelgemeinde“ zögen die Gottesdienstteilnehmer am Taufstein vorbei. ...
Na, wenn das kein Grund ist, mitzumachen, was dann?
Kleine Nebenfrage: Wer kennt den Autor/die Autorin B. SPRENGEL?

Für jeden der belanglosen Langweiler wurden mehr als 300 Wörter vergeudet. Hier fasste sich die Redaktion mit dem Verweis auf einen früheren Artikel 60 Wörter kurz, als wäre das nicht ein gewaltiger Skandal:
Das neu gegründete „Aktionsbündnis für Transparenz“ fordert eine Erklärung dafür, warum die Stadtverwaltung ein knapp sechs Hektar großes Grundstück für gut 25 Euro pro Quadratmeter an einen Berliner Investor verkaufen will (OZ berichtete). ...
Hier finden Sie ausreichend Hintergrund zum Thema Grundstücksverkauf, z.B. diese unbeantworteten Fragen:

Warum sollte ein Investor Grundstücke für einen Dumpingpreis kaufen können, um dann teure Wohnungen in einer der besten Lagen der Stadt zu bauen? Wieso kommt man einem Unternehmen so weit entgegen, dass sich zwar gerne sozial und kirchennah inszeniert, von dem sich aber sogar der Bischof des Bistums Berlins distanziert hat?

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