9. April 2010

OZ belegt: Hoffen ist Mangel an Wissen

Ach, so grün ist der Klee, über den ein Kommentator dies lobte:
Gesetz gegen zu lange Prozesse
... Dass jahrelang sich hinschleppende Prozesse eher die Ausnahme sind, hilft den Betroffenen kein Stück weiter. Deshalb ist es zu begrüßen, dass Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger endlich reagiert und Abhilfe schaffen will. ...
Dann:
Es wird teuer, wenn sie nicht reagieren und interne Abläufe in der Justiz verbessern oder benötigtes zusätzliches Personal einstellen. 
Achja? 100 Euro pro Monat, eine lächerliche Summe, die der Rede nicht wert wäre, bliebe nicht die offene Frage, wer die Summe zu begleichen hätte. Das wird doch nicht etwa der faule oder überlastete Richter sein, der von seinem Gehalt die 100 Euro pro Monat hergeben müsste? Der Kommentator fragte es sich nicht und dann natürlich auch nicht nach, oder es ist ihm klar, die Leser wüssten, dass die Steuerzahler gemeinsam zur Kasse gebeten werden.
Und dann noch eine wenig Mangel an Wissen (denn hoffen ist Mangel an Wissen):
Bleibt zu hoffen, dass aus dem gestern vorgestellten Entwurf auch ein schlagkräftiges Gesetz wird. 
Da könnte ein Rückblick aufklären, zu dem sich der Kommentator nicht hinreißen ließ, denn dazu hätte er rückblicken müssen, was wiederum eine Rechercheleistung gewesen wäre. Dafür ist der Rückblick hier kostenlos nachzulesen: 
... Da wir gerade von überlanger Verfahrensdauer sprechen…

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2006 im Fall Sürmeli festgestellt, dass es in Deutschland keine vernünftige Möglichkeit gibt, sich zu wehren, wenn man Recht hat, Recht sucht, aber Jahr um Jahr kein Recht bekommt. Insbesondere die Verfassungsbeschwerde sei dafür kein ausreichendes Instrument, weil das BVerfG gegen die Zustände in der Justiz im Grunde machtlos sei.

Auch schon wieder vier Jahre her.

2005 hatte Amtsvorgängerin Brigitte Zypries mit ähnlichem Aplomb versucht, dem Problem mit einer Untätigkeitsbeschwerde Herr zu werden. Ist nichts draus geworden.

Dass Zypries tätig wurde, hing wiederum mit einem EGMR-Urteil zusammen, dem (polnischen) Fall Kudla nämlich, in dem der EGMR feststellte, dass die Europäische Menschenrechtskonvention gegen überlange Verfahrensdauer einen wirksamen Rechtsbehelf fordert. Zypries kam zu dem Schluss, dass das auch Deutschland betrifft. Fand die Justiz zwar überhaupt nicht. Aber im Fall Sürmeli stellte sich heraus, dass Zypries Recht hatte.
Und wann war Kudla? Das war im Oktober 2000. Also bald zehn Jahre her.
Genau das hätte der erste Teil journalistischer Arbeit sein müssen, Recherche.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google