5. Dezember 2008

Verschenkte Blickpunktseite

Erfreut war ich, dass die OZ das Thema Geringverdiener zum Thema einer Blickpunktseite machte, enttäuscht, wie sie es machte.
Wie viel zu oft in der OZ, blieben die Texte an der Oberfläche. Einigermaßen kundige Leser erfuhren nichts Neues. Hintergrund? Fehlanzeige! Querverbindungen? Geschenkt!

Auch das Interview mit dem Einkommensforscher Dr. Markus Grabka (40) vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bestätigte nur eine Erkenntnis:
OZ: Gibt es denn eine Untergrenze für Niedriglöhne?

Grabka: Löhne von zwei, drei Euro pro Stunde sind sittenwidrig, so etwas sollte verboten werden.
Zack, abgehakt, nächste Frage. Hallo OZ, es gibt die Möglichkeit der Nachfrage! Wenn jemand an dem Thema interessiert wäre, hätte er hier doch stutzen müssen. Zwei bis drei Euro Stundenlohn? Gibt es keine Urteile, nach denen Löhne unter fünf Euro sittenwidrig sind? Nie gehört, nie gelesen?

Es ist eine Schande, wenn Grabka so daherredet und ein Journalist nicht durch Nachfragen entlarvt, sondern sich lieber gemein macht mit dem Interviewpartner.

Wo blieb die Frage: "Warum sollen Arbeitenden überhaupt Lohn erhalten? Die paar Euro können doch auch noch von der Allgemeinheit als Alg 2 bezahlt werden."
Das ist doch die Konsequenz aus dem Forschergerede.

Auch hier kam keine Nachfrage:
Eigeninitiative und Fördermaßnahmen sind der beste Weg aus der Armut. Wir müssen in Bildung investieren, das ist ganz wichtig.
Immer, wenn ich lese, was wir alles müssen, weiß ich, dass nichts daraus wird.

Gibt es keine Untersuchungen, deren Ergebnisse besagen, dass in D die Bildung gerade nicht von der Eigeninitiative abhängt, sondern vor allem von der sozialen Stellung des Elternhauses?
Gibt es keine Daten die zeigen, dass Fördermaßnahmen zumeist verpuffen, weil falsch gefördert wird, oder dass Arbeitstellen für besser Qualifizierte rar sind? Ist in der OZ und im Institut immer noch unbekannt, dass es in D entschieden weniger Stellen als Arbeitslose gibt?
Im Übrigen ist es ein Totschlaginstrument und grober Unfug, das Argument, jeder sei seines Glückes Schmied. Ausgerechnet in D werden solche Schmiede am Schmieden gehindert.

Ich hätte den Forscher Grabka gefragt, was wäre, wenn all die Geringverdiener, ihre Arbeit aufgeben würden: "Ich putze nicht mehr. Ich fahre keine Geld mehr durch die Gegend. Soll doch im Restaurant bedienen wer will. Haareschneiden können Ein-Euro-Sklaven übernehmen. Mit dem Lkw herumkutschen - ich doch nicht. Macht euren Scheiß doch alleine!"

Auch dies kam nicht zur Sprache:

Sie können nicht einfach aufhören zu arbeiten, denn:

1. bekämen sie drei Monate lang kein Arbeitslosengeld,
2. würden sie später als Alg 2-Empfänger zu genau solcher und noch schlechter bezahlter Arbeit gezwungen werden.

Fazit: Schade um die schöne Blickpunktseite.

Achso, einen Kommentar gab es auch, einen selbstentlarvenden:
Brutale Wahrheit
Wir nennen sie verharmlosend „Aufstocker“, in den USA heißen sie mit brutaler Ehrlichkeit „arme Arbeiter“, „working poor“: Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit so wenig verdienen, dass es noch nicht mal zum Existenzminimum reicht. ...
Warum nennen "wir" sie so? Warum übernehmen Journalisten solche verharmlosenden Begriffe? Wie viel ist ihnen an der Wahrheit gelegen?
Warum sind Alg 2-Empfänger in den meisten Medien, in der OZ sowieso, sinnentstellend Hartz 4-Empfänger?

Ein Grund könnte sein, dass solche Journalisten jenen zu nahe sind, von denen sie Informationen erhalten, wenn es denn Informationen sind. Zugleich sind sie jenen zu fern, über die sie schreiben.
Möglich ist auch, dass Journalisten von den Themen keine Ahnung haben.
Könnte auch sein, dass sie ihr Handwwrk nicht ausreichend beherrschen.

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