Ich schicke voraus. Dieser Text gilt für Schweizer Verhältnisse, hat also Bedeutung für irgendwo da im Süden. Lesen Sie ihn dennoch und sie erkennen, wie heute Medien arbeiten.
Einige Auszüge:
Information wird heute organisiert, kanalisiert und domestiziert. Es dominiert der Deutungsanspruch der Apparate über die aufklärerische Potenz der unabhängigen Medien. Denn das Vertrauen in die Kompetenz und das Augenmass dieser Medien ist verlorengegangen. Deshalb spielen auch die Verbindungen nicht mehr. Wenn es denn stimmt, dass im Bundeshaus, in der Nationalbank und in der UBS mindestens hundert Leute seit Tagen von dem Geheimnis gewusst haben, ist es eine reife Leistung von Informationsmanagement (oder -manipulation), dass nichts nach aussen gedrungen ist. Als Chefredaktor einer wichtigen Zeitung oder Fernsehstation würde ich mich fragen: Wie gut oder wie schlecht sind meine Beziehungen, wie angegriffen ist mein Vertrauenskapital, wenn mich an solchen Tagen niemand – auch nicht wenigstens in Andeutungen – vor voreiligen Festlegungen warnt?
Die Art und Weise, wie die Informationsmaschinen der Behörden und der Banken in diesem Fall mit den Medien umgegangen sind, spiegelt das grundsätzliche Misstrauen der Macher gegenüber ihren Beobachtern. Ernst nehmen sie uns schon lange nicht mehr. Die meisten Medienleute werden in den Konzernzentralen und in den Ministerien nicht als mündige Partner einsortiert, sondern als lästiges Geschmeiss, gegen das man teflongesichtige Informationsmanager in Stellung bringt.
Dieses Misstrauen ist verständlich, weil die nach der explosiven Meldung veröffentlichten Interpretationen so auffallend einheitlich tendenziös sind. Das kritische Fragen scheint den meisten Kollegen abhanden gekommen zu sein. War es wirklich eine Rettungsaktion oder eher ein schneller und entschlossener proaktiver Schachzug, wie es zum Beispiel die Financial Times gesehen hat? Muss man das Projekt zwingend als subventionsähnliche Zuwendung sehen oder eher als Geschäft – als ein riskantes, aber eben doch als ein Geschäft – mit dem spekulativen Zinssatz von immerhin 12,5 Prozent?
Dass die ganze Geschichte von fast allen Beteiligten auf die Bonusfrage zugespitzt wird, versteht sich vor diesem Hintergrund fast von selbst. Wenigstens das verstehen die Leute – nicht nur die Leser, auch die Schreiber.
Nach wie vor gilt meine Wette: Nicht einmal die Hälfte der Wirtschaftsjournalisten in diesem Lande ist fachlich in der Lage, eine Bilanz zu lesen, geschweige denn hochkomplexe Vorgänge im Bankenbereich sachgerecht zu interpretieren. Und die Mehrheit der Redaktionen hat nicht mehr die Kraft, Fachspezialisten auf ihren Dossiers arbeiten zu lassen; es herrscht das Da-Vinci-Prinzip (jeder ein Universalgenie!). Und solange das so bleibt, geschieht es uns recht, wenn sie uns irreführen und wenn das Sozialprestige der Journalisten etwa dasjenige von Bordellpianisten erreicht.
Bloß gut, dass das für Schweizer Leser geschrieben wurde.
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