9. Februar 2008

Wie Paragrafenhengste über die Umwelt entscheiden

Aufschlussreiches über die Arbeit des Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur (StAUN) berichtete die Usedom-Peene-Zeitung, das ich aus gutem Grund umfangreich wiedergebe:
Baumschützer prüfen Fällgenehmigung mit Schall-Tomografie
Es ist dem engagierten Heringsdorfer Baumfreund Heinrich Karstädt (und nicht dem StAUN) zu verdanken, dass zwei der zuvor neun stattlichen Buchen, die das Ostufer des Sackkanals in Heringsdorf-Neuhof zierten, noch stehen bleiben konnten und gestern genauestens untersucht wurden. ...

Das StAUN ließ als Antragsteller ein Gutachten anfertigen, und die UNB (untere Naturschutzbehörde) genehmigte schließlich die Fällung. ...

Als Karstädt davon erfuhr, verschaffte er sich mit Unterstützung von Gemeindevertretern Einblick in die Gutachten und stellte fest, dass ... nur für zwei der neun Buchen eine erhebliche Beeinträchtigung der Standfestigkeit erwiesen war. Dabei erscheint ihm die Untersuchung des Wurzelwerks allein unzureichend. "In einem solchen Fall für das Landschaftsbild so wichtiger Bäume ist eine genaue Einzeluntersuchung mit modernen Methoden notwendig", so Karstädts Auffassung. ...

Heiner Karstädt fuhr ... nach Ueckermünde und erreichte die Aussetzung der Fällung für zwei der schönsten Buchen (, die beiden letzten). Gestern ... am Kanal: Baumexperte Dr. Bernd Gustke untersuchte in Anwesenheit von UNB, gemeindlichem Bauamt sowie Umweltausschussmitgliedern mit seinen Partnern per Schall-Tomografie und Baumlibelle ... die Beweglichkeit und Standfestigkeit der ... beiden Bäume. Am ... Freitag wird das Ergebnis vorliegen.

Die anwesenden Kritiker der Baumfällung hätten sich gewünscht, dass StAUN und UNB von vornherein zu diesen Methoden gegriffen hätten ...
Und jetzt der Höhepunkt(das hätte an den Anfang des Textes gehört):
Heinrich Karstädt sucht übrigens noch Mitstreiter, die ihm helfen, die von ihm in Auftrag gegebenen Untersuchungen zu finanzieren.
Tja, so lässt das StAUN untersuchen, ob neun etwa 120 Jahre alte Buchen gefällt werden oder stehen bleiben können. Das Wurzelwerk zweier Bäume war nicht in Ordnung, also weg mit allen neun Bäumen. Da haben sich StAUN und UNB nicht so.

Unfassbar ist, dass der Bürger, der erzwang, dass wenigstens die beiden nicht gefällten Bäume gründlich untersucht werden, nun die Untersuchung bezahlen muss! Das StAUN hat schließlich seine Vorschriften und darf mit dem Geld nicht aasen.

Es ist dasselbe StAUN, das zu prüfen hat, ob das Kohlekraftwerk in Lubmin gebaut werden darf oder nicht, das flink 17 Ordner mit Projektunterlagen prüfte und innerhalb weniger Tage lumpige 4000 Einwände, natürlich gründlich, wie Vertreter des Amtes behaupteten.

Liegt da nicht der Schluss nahe, dass jene, die eine gründlichere Prüfung der Umweltverträglichkeit verlangen, auch in die eigene Tasche fassen müssen? Sie tun es bereits.

Müsste nicht das Land im Gegenteil alles Erdenkliche in die Wege leiten, um völlig sicher zu sein, dass der Umwelt und den Bürgern kein Schaden zugefügt wird? Natürlich käme dann heraus, dass der Bau des Werkes eine nicht wieder gutzumachende Sünde wäre.

Was sagen all jene behördengläubigen Kohlekraftwerkbefürworter, wenn sie die Buchengeschichte lesen? Sind sie immer noch fest davon überzeugt, dass alles genauestens geprüft wird und wenn genehmigt, gebaut und betrieben, wieder alles genaustens geprüft wird und sie auch noch die mit aller Sorgfalt und allen Mitteln geprüften Messergebnisse ausgehändigt bekommen?

Ich muss immer öfter daran denken, dass Grenzwerte keine Naturkonstanten sind, ebenso wenig wie Gesetze und Vorschriften. Wie oft sind schon Grenzwerte verändert worden, weil schwere Schäden angerichtet wurden, obwohl die alten Grenzwerte eingehalten worden waren, obwohl alles nach Recht und Gesetz zuging, obwohl Behörden nach gründlicher Prüfung zugestimmt hatten?

Außerdem fällt mir ein, dass ich diesen Kommentar schreibe, da doch gut bezahlte Redakteure diesen Zusammenhang hätten erkennen müssen.
Das sollte ein Witz werden, denn solche Leistungen erwarte ich schon lange nicht mehr von OZ-Lokalredakteuren aus Vorpommern.
Es wäre schon viel getan, würde ausgewogen berichtet, ganz ohne Kommentar.

2 Kommentare:

  1. Anonym10.2.08

    Ebenso erschütternd wie die kritiklose Anbetung der "Grenzwerte" ist die Beteuerung, es würde nicht mehr Abwärme in den Bodden geleitet als zu Zeiten des alten KKW. Was sagt das überhaupt aus? Würde ich gern ein Medikament nehmen, das auch nicht gefährlicher ist als das gute alte Contergan? na also.

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  2. Anonym12.2.08

    So verfahren die Ämter für Umwelt und Naturschutz mit ökologisch hochwertigem Altbaumbestand nicht nur auf dem platten Land, sondern auch mitten in der Hauptstadt.

    Als Beispiel unter vielen hier nur eines, dessen Kongruenz mit dem geschilderten frappiert:

    http://baumschutz.wordpress.com/2008/02/02/80/

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