25. Januar 2008

Kohlekraftwerk: Ringstorff faselte (4)

Ringstorff am 21. Januar im NDR Info:

"Ich bin der Auffassung, dass man das Kraftwerk auch in der ursprünglichen Größe bauen kann. Voraussetzung ist natürlich, dass die strengen Umweltauflagen erfüllt werden. Aber alle gutachterlichen Unterlagen, die bisher vorliegen, machen deutlich, dass das eingehalten werden kann."


Tatsächlich?

Dr. Vater hat Erkenntnisse gewonnen, die im Widerspruch zu denen des ehem. Naturwissenschaftlers Ringstorff stehen, denn mehrmals weisen die Gutachter darauf hin, dass ihre Aussagen unsicher sind:

Hierzu beispielhaft einige Zitate aus den für DONG Energy gefertigten Gutachten:
BRÜGMANN (Sondergutachten, Ordner 8) verweist darauf, dass in manchen Fragen „noch nicht alle Details bekannt“ seien. „Das grenzt die Möglichkeit, qualitative und/oder quantitative Aussagen [...] zu treffen, entsprechend ein.“ Das Institut für Angewandte Ökologie Broderstorf äußert im UVU-Anhang (Ordner 7): „Die Schwierigkeit der Beurteilung der Auswirkungen besteht darin, dass Untersuchungen zu den Toleranzbereichen der Arten vor Ort fehlen. [...] Entscheidend [...] sind Extremereignisse, die oft nur kurzzeitig und regional auftreten und daher messtechnisch nicht erfasst werden.“

Dem stelle ich folgende Passagen aus dem BUCKMANN-Gutachten (Ordner 5) gegenüber: „Nicht alle Parameter konnten beschafft werden. [...] Seltene Ereignisse sind statistisch nicht relevant.“ (Vergleiche indessen Tsunami-Forschung oder epidemiologische Überwachung seltener, aber gefährlicher Infektionskrankheiten!)

Letztlich bringt es folgender Abschnitt aus der EWN-Information Nr. 6/91 (1995) auf den Punkt: „Bei der Einschätzung von möglichen Effekten des KKW oder anderer Nutzer des Greifswalder Boddens sind immer die große Variabilität der einzelnen Glieder des Ökosystems und die Vielfalt der untereinander
sich bedingenden Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich zwingend, dass eine prognostische Aussage nicht leicht ist. Auswirkungen auf ein aquatisches Ökosystem erfolgen immer schleichend, ehe sie sich – und dann oft irreparabel – manifestieren.“

Fazit: Die industrielle Abwärme trifft im Ökosystem des Greifswalder Boddens auf ein komplexes Ursache-Wirkungsgefüge. Die wahrscheinlichen Folgen sind womöglich noch komplexer.

Statistische Modelle können nur sehr begrenzt die Realität abbilden oder gar prognostizieren. Die Natur kennt keinen Durchschnitt und hält sich nicht an Messreihen. Sie ist eine Aufeinanderfolge nicht restlos kalkulierbarer Momentzustände. Die möglicherweise schlimmsten Folgen der thermischen Boddenbelastungen werden nicht morgen oder in dreißig Jahren, sondern in der Zukunft liegen und vielleicht erst die nachfolgenden Generationen treffen. Dafür tragen wir alle eine enorme Verantwortung. Mit Ihrer politischen Entscheidung stehen Sie vor einer Schicksalsfrage.

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