25. November 2007

Betrachtung: Wie profitiert Tourismus vom Kraftwerk Lubmin?

Die Medien, z.B. die OZ, hätten sich verdient machen können, wenn sie eine Schrift von Dong Energy vom 05.11.2007 als das entlarvt hätten, was sie ist: Volksverdummung. Journalisten haben doch die Sprache als Handwerkszeug, müssten also am besten erkennen können, wenn ihre Leser gezielt beeinflusst werden sollen. Um den sog. Nachrichtenbrief (Newsletter) auszuwerten, hätte kein Redakteur vor die Tür treten müssen Er brauchte nur zu lesen und seine Sprachkenntnisse anzuwenden. Ist sogar das schon zu viel verlangt?

Ich habe die Schrift gelesen:

Tourismus

Tourismus und Steinkohlekraftwerke – so profitieren beide Branchen

Wenn dass stimmen sollte, müssten sich Touristiker, wie z.B. die der Kaiserbäder auf der Insel Usedom oder in sonst einer Urlauberregion, darum reißen, möglichst nahe, am besten am Strand, ein Steinkohlekraftwerk bauen zu lassen, statt in Lubmin. Dann könnten sie noch mehr vom Kraftwerk profitieren. Nichts anderes bedeutet die Unterzeile. Eine irre Vorstellung? Nicht für Dong Energy, sonst hätte sich das Unternehmen nicht getraut, das zu veröffentlichen.

Um es vorwegzunehmen, ich habe in dem dreiseitigen Papier einen Grund auf Seite drei gefunden, der für den Tourismus profitabel sein soll:

Es gibt ... zudem eine ganz neue Attraktion für Bewohner und Touristen (in Esbjerg, wo ein Kraftwerk steht): ... das Werk organisiert spannende Führungen und informiert vor Ort (hässliches Deutsch, dieses „vor Ort“, gemeint ist „dort“ - wo sonst, wenn schon geführt wird?) über modernste Techniken der Energiebranche.

Derartige Erlebnistouren können wir uns auch sehr gut für das geplante Steinkohlekraftwerk Lubmin vorstellen. (z.B. verbunden mit einem Wellnes-Wochenende in den Kaiserbädern?)

Ich stelle mir vor, dass spannungsgeladene Urlauber erfahren, wie eine 22 Meter hohe Schallschutzwand als Begrenzung des Kohlelagers aussieht, wie Kohlestaub schmeckt, wie laut es im Maschinenhaus ist. Oder den Spannungssüchtigen werden die Messergebnisse vorgelegt, die besagen, wie viel Quecksilber, wie viel Kadmium und andere Schwermetalle in die Luft gepustet werden und welche Mengen an Kohlendioxiden und Stickoxiden während ihres Besuches die Atmosphäre verdrecken. Dazu werden Filmausschnitte eingespielt, in denen Kanzlerin Merkel als Retterin des Weltklimas mit wichtigem Gesicht Gletscher auf Grönland besichtigt oder während des CDU-Parteitages in Sellin steif und fest behauptet: „Und die Umwelt wird auch nicht verschmutzt.“ Mit ehrfürchtigen Mienen, kniend im Kohlestaub und einem im Chor gesungenen: „Unsere Kanzlerin hat gesprochen. Nun wissen wir Bescheid“, ist der Höhepunkt der spannenden Führung erreicht. Zum Abschluss dürfen die sich nun Entspannenden an den Auslaufkanal treten und ihren grauen Speichel hineinspucken.

Unter der Zwischenzeile

Seebadstatus bleibt erhalten

steht, warum sich 17 Orte rund um das geplante Kraftwerk Seebad oder Seeheilbad nennen dürfen:

Ein Grund dafür ist die gute Seeluft ... Damit das so bleibt, legen wir beim Bau unseres Steinkohlekraftwerkes großen Wert darauf, die Anlage im Einklang mit Mensch und Natur zu bauen. ...

In diesem Textauszug steckt die Lüge „Damit das so bleibt“.

Es wird nicht so bleiben, das steht einige Zeilen tiefer so verklausuliert:

Das sichert u.a. einen gegenüber herkömmlichen Steinkohlekraftwerken um 20 Prozent verminderten Ausstoß an Kohlendioxid. Durch wirksame Maßnahmen (überflüssiger Quark, denn unwirksame Maßnahmen wären unwirksam) der Abwasserreinigung werden gleichzeitig die Emissionen minimiert.

Das also bedeutet für Dong Energy, alles bleibe so mit der Umwelt. Wenn der Kohlendioxidausstoß verringert wird, bleibt alles beim Alten? Nein, es wird natürlich Dreck aller Art in die Atmosphäre abgelassen, z.B. fast so viel Kohlendioxid, wie ganz M-V zur Zeit produziert, oder mehrere Dutzend Kilogramm Quecksilber pro Jahr.

Dong Energy tut so, als gäbe es eine noch schlimmere ältere Dreckschleuder am Standort , die durch eine bessere ersetzt würde.

Wenn jedoch die Umwelt verschmutzt wird, ist es eine Lüge zu behaupten, dass die gute Seeluft so gut bleibt. Wie profitiert der Tourismus von höher belasteter Luft?

Die Frage, ob die geplante Anlage gebaut werden darf oder nicht, wird anhand eines umfangreichen Regelwerkes beantwortet ...

Das heißt aber nicht, dass alles beim Alten bleibt. Es heißt lediglich, dass Atmosphäre, Wasser und Erdreich nur bis zu einem bestimmten Grad höher belastet werden dürfen als bisher. Wie profitiert der Tourismus davon?

Darüber hinaus wird das Steinkohlekraftwerk so geplant, dass der Seebadstatus der umliegenden Orte erhalten bleibt. ...

Das soll glauben, wer will. Und was ist mit dem Titel Seeheilbad? Dann das Eingeständnis:

Ein Gutachten belegt, dass vom geplanten Kraftwerk durch Luftschadstoff- und Schallimmissionen nur geringe Auswirkungen ausgehen.

Geringe Auswirkungen setzt Dong Energy - Frau Merkel auch - also gleich mit keiner Auswirkung, da ja die Seeluft so bleiben soll, wie sie ist. Das ist Volksverdummung. Profitiert davon der Tourismus?

Die Forderung vieler Bürger nach geringeren Bauwerkshöhen (Welcher Vertreter welchen Mediums fragte sie, warum sie nicht gegen das Kraftwerk sind, sondern nur gegen ein so großes?) will Dong Energy erfüllen und schiebt diesen Forderern gleich den sprichwörtlichen schwarzen Peter zu:

Was für das Landschaftsbild gut ist, führt gleichzeitig nicht zu einer erheblichen Veränderung der Situation hinsichtlich der Luftgüte. (Was ist denn das für ein Deutsch?)

Warum hatte das Unternehmen dann einen höheren Schornstein planen lassen? Und wie hoch sind die unerheblichen Belastungen der Luft?

Und merken Sie, liebe Leser, dass Dong Energy genau weiß, dass das Kraftwerk die Umgebung verschandeln wird? Das steht indirekt in dem Halbsatz „Was für das Landschaftsbild gut ist“. Es müsste übrigens richtig heißen: „Was für das Landschaftsbild besser ist, als ein 150 Meter hoher Schornstein.“ Wie profitiert der Tourismus von den unerheblichen Belastungen?

Dann schwafelt Michael E. Deutschbein aus Hamburg, der Verfasser der Schrift, von den Arbeitsplätzen, die durch den Bau und den Betrieb des Kraftwerkes geschaffen werden, als würde davon der Tourismus profitieren. Pech gehabt, ihr PR-Büros in M-V! Der Newsletter-Auftrag ging schon mal nach Hamburg. Wer wird die anderen Aufträge erhalten, Touristikunternehmen? Profitiert so der Tourismus vom Kraftwerk?

Schließlich erwähnt die Schrift anhand des Kraftwerkes in Esbjerg:

... dass moderne Steinkohlenkraftwerke und attraktiver Tourismus gut nebeneinander existieren können.

Nach dem sog. Totschlagargument Arbeitsplätze (Wie viele KKW-Beschäftigte haben sich bereits für eine Stelle im Steinkohlekraftwerk beworben und wie viele Arbeitsplätze bleiben dann noch für Personal aus M-V?) nun das Argument: So etwas gäbe es schon im dänischen Esbjerg und alle haben sich daran gewöhnt ... und es konnten keine negativen Auswirkungen festgestellt werden.

Der erste Block wurde vor 40 Jahren bei Esbjerg gebaut, als sog. Wissenschaftler voraussagten, die Erde werde wegen des bevorstehenden Klimawandels erfrieren (nun soll sie sich zukünftig erwärmen) und als andere Arten der Energieerzeugung noch unterentwickelt waren. Heute gibt es Städte wie Nürnberg und Fürth mit zusammen 610000 Einwohnern, die ab 2008 nur noch Ökostrom in das städtische Netz einspeisen. An diese Städte könnte Dong keinen Strom aus Lubmin verkaufen.

Noch heute produziere ein Block Energie, berichtet Deutschbein weiter. Jedoch hätte mich interessiert, warum dann das Kraftwerk in Lubmin statt in Esbjerg gebaut werden soll, wenn die Leute dort so zufrieden sind.

Hier noch ein Scheinargument für den Profit des Tourismus:

Da es bei uns (rund um Esbjerg) sehr flach ist, ist das Kraftwerk in der Gegend und von der Insel (Fano) aus sichtbar. Trotzdem genießen die Besucher ihren Urlaub.

Ist es vermessen zu denken, stünde das Kraftwerk nicht dort, genössen die Urlauber noch viel mehr ihren Urlaub?

Ist es vermessen zu fragen, warum der Touristikverband so still ist, wenn es um den Kraftwerksbau geht?

Ist es übertrieben, die obersten Kaiserbädertouristiker zu fragen, was sie von dem Kraftwerk halten?

Ist es erlaubt, das Thema „Wie profitiert der Tourismus vom Kraftwerksbau?“ zu einem Dauerthema in den Medien zu machen?

Ist das alles möglich? Ja? Warum werden solche Themen dann nicht journalistisch aufgearbeitet?

Warum klären die Medien ihre Kundschaft nicht darüber auf, dass es nur einen Grund für den Bau des Kraftwerkes in Deutschland gibt, die geschenkten Verschmutzungsrechte?

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