20. August 2006

Stanzen: explodieren

Im Sommer 2003 stöhnte Deutschland unter der Hitze, sollte ich den Medien glauben. Seitdem stöhnte es noch oft; ich weiß nicht mehr, worüber z. B. die Kraftfahrer stöhnten. Doch die Mode des Stöhnens war 2005 vorüber. Die Stanze war so abgenutzt, dass sogar der einfallsloseste Journalist sich ein neues Verb abgucken musste, um irgendwelche Vorgänge zu dramatisieren.

Seitdem explodieren in Deutschland und anderswo vor allem die Preise, werden also von Journalisten zu Sprengkörpern gemacht.
Die gestiegenen Heizkosten lassen Mietnebenkosten explodieren.
Wenn dann Granaten, Bomben und Raketen im Nahen Osten explodieren, oder beinahe Sprengsätze in Deutschland, müsste ein neues Verb erfunden werden.
Da die Stanze "explodieren" jedoch schon tausendfach missbraucht wurde und damit ihren ursprünglichen Wortsinn verlor, kann die Nachricht doch nichts Lebensbedrohendes beschreiben, wenn von Bomben in Zügen geschrieben wird. "Preise explodieren, wenn sie um 20 Prozent steigen und ich sterbe nicht daran", mag mancher OZ-Leser denken. "Warum sollte mich eine explodierende Bombe töten können?"

Nachdem das Verb "explodieren" in unverantwortlicher Weise zur Stanze abgewertet wurde, musste wieder ein neues her und alles beginnt wieder von vorn:

Die Kostenlawine rollt
Der Schlagzeilenschmied meinte:

Gas, Strom, Lebensmittel: Alles wird teurer.
Es klingt, als schriebe jemand über ein Naturgesetz: Höhere Preise sind unabwendbar. Richtig wäre, immer dazuzuschreiben, wer welche Preise erhöht, spätestens in der Unterzeile oder im Vorpann.

Mein Vorschlag für eine Schlagzeile über einem Text, der den Transport von Dixie-Toiletten beschreibt:

Die Latrine rollt

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