7. April 2006

Recherchefrei berichtet

Unter der Schlagzeile
Fünf Euro Stundenlohn keine Seltenheit
lieferte K.D. einen Bericht ab, der so einseitig und ohne Recherche ist, dass ich ihn ergänzen muss. Und die Redaktion wagte es, den Text zu verröffentlichen:
... Gudrun Hohberger findet einen gesetzlichen Mindestlohn „entbehrlich“. Die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Greifswald/Ostvorpommern: „Ich glaube nicht, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Leistungen verteuern sich. Das hat eher das Gegenteil zur Folge.“ Auch Wolfgang Jochens findet, dass Löhne keine Sache der Politik sein sollten. Lediglich zwischen 700 und 800 Euro Brutto (Ist das ein Hungerlohn von vier Euro pro Stunde?) verdiene eine Greifswalder Frisösin (Die Berufsbezeichnung kenn ich nicht.), weiß Innungsleiterin Hohberger. Unterhalb des diskutierten gesetzlichen Mindestlohns verdienen auch Greifswalder Bäcker und Gemüsehändler, so Sigrid Knoll von Verdi Greifswald. Der Monatslohn liege zwischen 900 und 960 Euro.
"Tja, arbeitendes Volk, bescheide dich und nimm sittenwidrige Löhne in Kauf." Das lese ich aus dem Artikel.

Einfach herauszufinden wären diese Informationen gewesen:
Fünf Euro brutto die Stunde sind rechtswidrig
Urteil des Sozialgerichts Berlin: ... Arbeitslose, die für fünf Euro die Stunde putzen oder Regale auffüllen sollen und diese Jobs ablehnen, können sich jetzt auf ein richterliches Urteil in Berlin berufen, das diese Entgelte für rechtswidrig erklärte. Wer von der Arbeitsagentur ein Stellenangebot mit einem Lohn unterhalb der Sozialhilfe bekäme, müsse dieses nicht annehmen, urteilten die Richter am Sozialgericht
Berlin. Arbeitsagenturen dürften gegen Erwerbslose auch keine entsprechenden Sanktionen verhängen. ...

Das Berliner Urteil kann noch angefochten werden. Die Berliner Richter stützten ihre Entscheidung unter anderem auch auf ein Urteil des Sozialgerichts Fulda. Dort entschieden die Richter, dass der Beschäftigte einer Pizzeria, der im Jahre 2002 zu einem Bruttostundenlohn von 4,10 Euro gearbeitet hatte, "sittenwidrig" entlohnt worden war.

Gegen das kleinkarierte Denken von Frau Hohberger wären diese Tatsachen aufzuschreiben gewesen:
Briten erhöhen ihren Mindestlohn

Die britische Regierung hat den Mindestlohn um fast einen halben Euro erhöht. Statt Arbeitsplatzabbau sind seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohn auf der Insel zusätzliche Jobs entstanden.
In Großbritannien wird der Mindestlohn weiter angehoben. Wie die Labour-Regierung ... mitteilte, müssen die Arbeitgeber künftig pro Arbeitsstunde mindestens 5,35 Pfund Sterling (7,71 Euro) zahlen. Das sind umgerechnet 0,43 Euro mehr als bisher. ...
Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Großbritannien 1999 von der Labour-Regierung eingeführt und seither um 40 Prozent erhöht. Die Arbeitslosigkeit sank im gleichen Zeitraum um 25 Prozent. Im Unterschied zu den Warnungen der britischen Arbeitgeber ist die Zahl der Billig-Arbeitsplätze seither nicht zurückgegangen, sondern deutlich
gestiegen.

... In 19 von 25 EU-Ländern gibt es einen Mindestlohn. In Frankreich, Irland und den Benelux-Staaten liegt der gesetzliche Stundenlohn laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zwischen 7,36 und 8,69 Euro. ...

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