29. Oktober 2005

Erfurter Massaker gab es nicht?

Schade, dass ich zu wenig Zeit hatte, diesen Bericht der Usedom-Peene-Zeitung vom 27. Oktober zu besprechen:
Betroffenheit am Gymnasium
Angelika Gutsche schrieb:
Schüler und Lehrer des Gymnasiums in Heringsdorf sind entsetzt. Ein Mitschüler hatte aus Jux eine Todesliste verfasst.

Wer hat das behauptet? Eine solche Liste zu verfassen, kann kein Jux sein. So einen sprichwörtlichen Bären darf ein Journalist sich nicht aufbürden lassen.
Als sie der Aufforderung ihres Mitschülers folgten, im „Who is who“ des Maxim-Gorki-Gymnasiums anzukreuzen, wer ihnen unsympathisch ist, ahnten die Zehntklässler nicht, dass die mit Kreuzen Gekennzeichneten oder schwarz Angemalten nach Auffassung ihres Freundes eine Art Todesliste darstellen würden. „Über diese Wertung sind die Schüler im Nachhinein sehr bestürzt“, sagte Schulleiter Jürgen Räsch gestern. Im gleichen Atemzug (Ich hoffe, er ist nicht erstickt.) stellte er klar, dass für Schüler und Lehrer zu keiner Zeit eine reale Gefahr bestand.
Das Erfuter Blutbad hat es nie gegeben?
Es gibt immer noch Journalisten, die Schulleiter befragen. Das ist überflüssig. Schulleiter geben keine Auskünfte; sie beschwichtigen. Das zeigt auch die nächste Aussage:
... „Die Befragung seiner Mitschüler hat ergeben, dass sie mitgespielt haben, ohne dass ihnen bewusst war, was daraus gemacht wurde und wie labil der Urheber ist. Im Übrigen halten die meisten von ihnen unsere Reaktion für überzogen“, sagt der Schulleiter.


Heute berichtete die OZ auf ihrer Titelseite und auf Seite vier:
Gymnasiast gestand geplante Tötung
Die Polizei ermittelt gegen einen 16-jährigen Schüler aus Ahlbeck. Er hat eine „Todesliste“ von Schülern und Lehrern verfasst.
In einem Jahrgangsbuch des Heringsdorfer Maxim-Gorki-Gymnasiums waren Bilder von insgesamt 206 Schülern der Klassen 5 bis 13 sowie von Lehrern angekreuzt worden. Im Heft fanden sich Vermerke wie „206 Kugeln“ und „diese sterben“. Nach dem Auftauchen dieser „Todesliste“ ist ein 16-jähriger Schüler vorläufig festgenommen worden.
Laut Polizei gestand der Jugendliche aus Ahlbeck auf der Insel Usedom, die Tötung von Schülern und Lehrern geplant zu haben.
... Die Polizei nahm vorübergehend noch vier weitere 16-jährige Schüler des Heringsdorfer Gymnasiums fest. In den Vernehmungen räumten sie den Angaben zufolge ein, teilweise Kenntnis von der Liste gehabt zu haben und auch an der Auswahl unliebsamer Schüler und Lehrer beteiligt gewesen zu sein. Die drei Jungen und ein Mädchen hätten allerdings ausgesagt, dass sie die Todesdrohungen nicht ernst genommen hätten.
...

Als hätte es das Massaker in Erfurt nie gegeben! Wie vergesslich sind Gymnasiasten oder sind sie es gar nicht? Wollen sie ihre Haut retten?
In der Usedom-Peene-Zeitung ist der Bericht, geschrieben von Henrik Nitzsche, ähnlich nachzulesen, doch mit diesem Abschluss:
Indes haben sich nun Schüler des Gymnasiums zu Wort gemeldet, die ihre Betroffenheit über die Ereignisse der letzten Tage zum Ausdruck brachten. „Wir als Schüler fühlen uns an dieser Schule aber weiter sicher“, heißt es in ihrem Brief an die OZ.
Hier hätte der Autor nachfragen müssen, wie der Brief zustande kam. Welchen Einfluss hatte der Schulleiter auf den Brieftext?
Gestern informierten sich der Kultusminister des Landes, Hans-Robert Metelmann, und Landrätin Dr. Barbara Syrbe am Gymnasium über den aktuellen Ermittlungsstand und die Situation der Schüler und Lehrer.
Dieser Satz hat keinen Nachrichtenwert.
In seinem Kurzkommentar zu dem Bericht schrieb Nitzsche.
Erinnerungen an die Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 2002 werden wach. Was für eine Tragödie! Glücklicherweise konnten die mörderischen Pläne des 16-Jährigen vereitelt werden.
Nur wurden die Erinnerungen an Erfurt reichlich spät wach, zumindest in der OZ-Redaktion.

Der Bericht der Usedom-Peene-Zeitung erschien heute auch in der Greifswalder und Grimmener Zeitung. Damit hatten die Leser dieser Blätter eine Fast-Dublette zu lesen, da der Text in ähnlicher Fassung auch auf Seite vier des OZ-Mantels erschien.
In Rostock sitzt ein stellvertretender Chefredakteur, der für die Lokalzeitungen der OZ zuständig sein soll. Hier hat er versagt, denn er hätte die Dubletten vermeiden müssen. Er hätte nur mitzuteilen brauchen: "Wir bringen den Bericht im OZ-Mantel."
Und der Leser erträgt diese und andere Fehlleistungen und bezahlt für die Wochenendausgabe 90 Cent.

1 Kommentar:

  1. Anonym8.11.05

    Darüber hinaus war die Meldung auch grottenschlecht recherchiert -denn die vier "Verhafteten" waren allesamt männlichen Geschlechts. Nicht jeder Name der nach Mädchen klingt muss auch zu einem Mädchen gehören

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