Natürlich ist es ein Ereignis, wenn eine Erdgasleitung offiziell in Betrieb genommen wird. Was die OZ jedoch daraus machte, wirkt mitunter lächerlich, oberflächlich sowieso und schließlich vom Chefredakteur verschönschriftet:
Die Russen liefernJaund? Was ist dabei? Durch die Ostsee ist es nach D. nun einmal der kürzeste Weg über M-V.
Die Ostseepipeline kommt gerade zur rechten Zeit.
Von Jan Emendörfer
In den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wurde gestern ein neues großes Kapitel aufgeschlagen. Und das in Mecklenburg-Vorpommern!
Das Bundesland im Nordosten, das zu den ärmeren Regionen Deutschlands gehört, macht mit der Einweihung der Ostseepipeline in Sachen west-östliche Beziehungen von sich reden, und das ist gut so.1. Der Nordosten gehört nicht zu den ärmeren Regionen. M-V ist das Armenhaus Deutschlands, ist die ärmste Region - und wird um wie viel weniger arm durch die Gaslieferungen?
2. Ich kann es nicht mehr lesen, dieses Gefasel vom Bekanntwerden. Was nutzt es Trinwillershagen, dass Merkel und Kriegstreiber Bush dort von einem zähen Wildschwein aßen? Was nutzt es Heiligendamm, dass sich dort die G 8-Oberbonzen trafen?
Nun folgen Allgemeinplätze:
Obwohl das 20. Jahrhundert mit seinem Millionengrab 2. Weltkrieg Deutsche und Russen weit voneinander entfernte, gibt es doch eine lange Geschichte deutsch-russischer Beziehungen, ein Verhältnis des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung. Namen wie Tschaikowski und Tolstoi genießen in Deutschland ebenso große Achtung wie Beethoven und Goethe in Russland.Dann:
Dennoch gibt es hierzulande immer noch viele Vorbehalte — gerade in Bezug auf russische Investoren.Ja? Wer hat die Vorbehalte, Emendörfer, der Leser an sich?
Der Fall der Nordic-Werften in Wismar und Warnemünde zeigt auch, dass Ängste nicht ganz unberechtigt sind.Nun sind aus den Vorbehalten Ängste geworden. Doch was heißt nicht ganz unberechtigt? Genau, es ist die Schönschreibung von sind berechtigt.
Der erste russische Investor wurde vor ein paar Wochen in Moskau in einem Café erschossen, der zweite kämpft nach wie vor um Aufträge, damit die Betriebe hier überleben können.Der Vergleich hinkt mächtig, ist deshalb unangebracht: Rohstoffe auf Wunsch zu liefern ist völlig unterschiedlich davon, Reeder zu überzeugen, Schiffe bauen zu lassen, zumal das mit der deutschen Wertarbeit nur noch teilweise stimmt.
Das Beispiel Ostseepipeline aber zeigt, dass es auch anders geht, dass die Russen auch „liefern“ können und nicht zu knapp.
Dass die Pipeline lange vor dem deutschen Totalausstieg aus der Atomernergie erdacht und auf den Weg gebracht wurde, kann aus heutiger Sicht nur als großer Glücksfall bewertet werden. Deutschland kann den Ausstieg aus der Kernenergie gar nicht allein mit Öko-Strom bewältigen.Was für ein Unsinn, denn:
1. der Umweltrat der Bundesregierung hatte bereits Anfang 2012 genau das Gegenteil mitgeteilt, von der OZ bis heute nicht beachtet,
2. ist in einem Bericht auf der Blickpunktseite zu lesen:
Inzwischen gebe es ein Überangebot an Gasworaus abzuleiten ist, dass der Chefredakteur entweder nicht las, was veröffentlicht wurde, oder er es nicht beachtete, weil damit der gesamte Kommentar sinnlos gewesen wäre.
Der Argwohn wegen einer möglichen deutschen Abhängigkeit von den Russen ist fehl am Platze. Russland möchte etwas verkaufen und dafür natürlich Geld erhalten. Es geht um Handel, nicht um Besatzung.Das ist angesichts des Überangebotes an Gas auch nicht zu erwarten.
Für Mecklenburg-Vorpommern bleibt zu wünschen, dass dem Rohstoff bald die Verarbeitung folgt.Genau, denn ansonsten hätte das Land nichts von der Leitung, außer einem herbeigeschriebenen Bekanntheitsgrad - hier hat sich Emendörfer bildlich selbst ein Bein gestellt.
In Lubmin ist Platz — nicht nur für ein Gaskraftwerk.Wofür noch?
Inzwischen finden sich Leser (Danke für den Hinweis!), die wie ich meinen, dass OZ-Redakteure, wenn sie schon Eigenbeiträge verfassen, zu wenig oder gar nicht nachfragen, wenn es heikel werden könnte. Dann paart sich Regierungsergebenheit mit Wirtschaftsfreundlichkeit, eine üble Mischung. Es geht um dieses Interview:
Was macht der Molch in der Pipeline?
... OZ: Warum wird die Pipeline aus dem mehr als tausend Kilometer entfernten schweizerischen Zug gesteuert und nicht aus Lubmin?Erledigt, abgehakt; bloß nicht weiter nachfragen. Hintergrund und Meinung lieferte ein Leserbriefschreiber, kein OZ-Redakteur:
Kothe: Ein Grund dafür ist, dass die Firma Nord Stream in der Schweiz sitzt. Und Pipelinesteuerung funktioniert nicht mehr so wie früher, dass sie vor Ort per Hand erfolgt, sondern vollautomatisch und ferngesteuert. Im Grunde genommen könnte die Zentrale überall sein, auch in Brasilien, wenn man das wollte. Es ist aber immer so, dass die großen Pipeline-Gesellschaften die Steuerungszentrale an ihrem Firmensitz haben.
OZ: Was bleibt in Lubmin, wenn beide Leitungen fertig sind?
Kothe: Der Standort Lubmin wird zunächst einmal zwölf Arbeitsplätze bringen. Die Station wird rund um die Uhr bemannt sein, zusätzlich werden wir eine Lagerhaltung betreiben. Von hier aus werden Reparaturen und Inspektionen durchgeführt, bei denen natürlich auch Unternehmen aus der Region eine Rolle spielen werden. ...
Eine kluge Frage!
Ein „Bomben“geschäft für die Russen, insbesondere für den russischen Gasriesen „Gazprom“ Für den Bau entstehen für den Steuerzahler keine Kosten. Das stimmt sogar. Ist aus meiner Sicht aber wieder, wie so oft im Leben, nur die halbe Wahrheit.
Der Steuerzahler wird erst zur Kasse gebeten, wenn er seine Gasheizung oder seinen Gaskocher einschaltet. Dann sahnen sie ab und zwar nicht nur der Anteilseigner der Nord Stream AG – OAO Gazprom, sondern auch die Anteilseigner: BASF SE/Wintershall Holding GmbH, E.ON Ruhrgas AG, N.V. Nederlandse Gasunie und GDF SUEZ S.A. sowie 30 an der Finanzierung beteiligte Banken. Diese fünf bereits genannten Unternehmen finanzierten 30 Prozent des Investitionsvolumens von 7,4 Milliarden Euro durch Eigenkapital. Weitere 70 Prozent des Projektbudgets werden durch Kredite abgedeckt. ...
„Und warum hat die Firma Nord Stream im (tausend Kilometer entfernten) schweizerischen Zug ihren Sitz?“ Im Kontext fällt mir ... wieder die Arbeitsweise von „Nordic Yards“ ein. Ich stelle mir persönlich auch heute immer wieder die Frage warum dieser russische Gasriese Gazprom, obwohl er dringend Spezialschiffe zur Förderung von Rohstoffen benötigt bisher keine Aufträge an die Werften in Warnemünde und Rostock vergeben hat? Obwohl sie auf höchster politischer Ebene von „russischen Eignern“ gekauft werden konnten, blieben bisher die Aufträge aus. Als der „Kriminelle“ Burlakow die Werften übernahm, standen Vertreter von Gazprom doch mit auf der Tribüne des Lächelns und der Beifallklatscher. Auch der neue Werfteigner Jussufow hat es bisher nicht geschafft dieses Problem zu lösen. Richtig! Das alles ist auf einer hohen politischen Ebene nur Taktik.
Und noch eines! Die Russen regulieren ihre Geschäfte von der Schweiz aus, weil das für sie das Steuerparadies ist. Nicht nur „Nord – Stream“ trifft von Zug aus Entscheidungen sondern auch „Nordic Yards“ und damit der Werfteigner Jussufow. Er hat seinen Hauptsitz auch nicht in Rostock, sondern ebenfalls in Zug. Zug ist der kleinste Kanton in der Schweiz. Hier haben viele Briefkastenfirmen ihren Hauptsitz. ...
Das(s) sie ihre Geschäfte über die Schweiz abwickeln ist nur ein taktischer wirtschaftlicher Schachzug. Mehr nicht. Die Schweiz ist und bleibt für Geschäftemacher das Land der Superlative und das Steuerparadies. Von Außen schwer kontrollierbar. Das war schon im Zweiten Weltkrieg so. ...
schreibt Hartwig Niemann aus RostockNoch ein Leser fand eine Frage unbeantwortet:
Mal nachfragen.
OZ: Warum wird die Pipeline aus dem mehr als tausend Kilometer entfernten schweizerischen Zug gesteuert und nicht aus Lubmin?
Kothe: Ein Grund dafür ist, dass die Firma Nord Stream in der Schweiz sitzt. (...)
("sich mal ganz dumm stellender") Leser: Und warum hat die Firma Nord Stream im (tausend Kilometer entfernten) schweizerischen Zug ihren Sitz?
schreibt Th. Theurer
Zu: „In Lubmin ist Platz — nicht nur für ein Gaskraftwerk.“:
AntwortenLöschenE.ON hatte die Baugenehmigung für ein Gaskraftwerk, hat aber auf den Bau verzichtet, deshalb wurde diese Genehmigung inzwischen vom StALU zurückgenommen.
EnBW hat für das geplante GuD bisher außer den Scoping-Unterlagen nichts Konkretes eingereicht.
EWN (Rittscher-Cordes) hat die schrottigen DONG-Antragsunterlagen teuer abgekauft mit der Maßgabe, als neuer Träger des Vorhabens die Genehmigung für ein 1800 MW-GuD zu erlangen. Trotz mehrfacher Terminstellungen durch das StAUN sind bisher keine vollständigen Antragsunterlagen eingereicht worden. Stattdessen gibt EWN im Geschäftsbericht für das Jahr 2010 an, keine weiteren Unterlagen einreichen zu wollen. Das sollen „Dritte“ machen. Ein Investor ist nicht in Sicht. Das liegt daran, dass ein so gigantisches Kraftwerk am Standort Lubmin nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.
Es könnte immer nur dann Strom produzieren, wenn auf hoher See gerade mal kein Wind weht. Der Strom wird hier nicht gebraucht und die Abwärme kann nicht genutzt werden, sondern macht aus dem Bodden eine Vibrionenzuchtanlage.
Es ist wirtschaftlicher, das Gas in den Süden zu transportieren und dort zu verstromen, wo der Bedarf an Strom und Wärme besteht.
Diese Überlegungen haben wohl auch DONG dazu bewogen, heute alle Rechte an dem für das Gaskraftwerk reservierten Bauland in Ludwigsau, LK Hersfeld-Rotenburg, von Iberola zu übernehmen. Teilgenehmigungen liegen vor. Die restlichen erforderlichen Unterlagen will DONG beibringen. Eine Investitionsentscheidung ist jedoch noch nicht getroffen. Wahrscheinlich wartet DONG auf Fördergelder.
Meine persönliche Überzeugung ist, dass sich kein Investor findet für eine grandiose fossil betriebene Dreck- und Giftschleuder in Lubmin. Wenn auch ein GuD im Vergleich zu Kohlekraftwerken das kleinere Übel wäre, bleibt ein CO2-Ausstoß und im Fall Lubmin die nicht genutzte, sondern schädliche Abwärme.
Zu: „Für Mecklenburg-Vorpommern bleibt zu wünschen, dass dem Rohstoff bald die Verarbeitung folgt.“:
Keine Bange. Das Nordstream-Gas wird nicht in MV verarbeitet. Allerdings wird ein klitzekleiner Teil des ankommenden Gases benötigt zur Aufbereitung und Aufheizung, bevor es weiter geleitet wird.
Warum die „Aufbereitung“ (vor allem Entschwefelung) nicht in Wyborg oder gleich am Förderstandort, sondern in Lubmin erfolgt, wissen womöglich nur Putin und Schröder. Die Russen wollen vielleicht nicht die schädlichen Abfallstoffe einatmen.
Danke, kulbrod!
AntwortenLöschenDas alles hätte in der OZ stehen können und müssen, wäre sie mehr als ein Nachplapper- und Schönschriftorgan.
Der Chefredakteur hätte ausreichend Veranlassung, sich in Grund und Boden zu schämen - für seinen sog. Kommentar sowie für die gesamte sog. Berichterstattung zum Thema (und nicht nur dafür). Die Abonnenten sollten einen Teil ihres Geldes zurückfordern, aus dem Gehalt des Chefredakteurs.
Noch hierzu:
"EWN (Rittscher-Cordes) hat die schrottigen DONG-Antragsunterlagen teuer abgekauft mit der Maßgabe, als neuer Träger des Vorhabens die Genehmigung für ein 1800 MW-GuD zu erlangen."
Vermutlich war nie geplant, die Unterlagen für den Bau eines Gaskraftwerkes einzureichen (wäre wohl ohne umfängliche Über-/Neubearbeitung sowieso nicht möglich gewesen) und also auch kein Kraftwerk bauen zu lassen. Der Kauf war wohl nur ein Trostpflaster für DONG, quasi Schmerzensgeld, bezahlt aus Steuern, weil sich Politiker zum Bau der Giftschleuder beschwatzen ließen.
Dass die OZ auch nur den Versuch unternimmt, bildlich hinter die schmierigen Kulissen zu schauen, ist nicht zu erwarten, nach all dem, was sie den Lesern an Märchen und Lügen über die Giftschleuder verkauft hatte.
Und noch etwas:
AntwortenLöschenMit der Gasleitung ist es wie mit der A 20. Auch damals wurde vorausgesagt, dass sich an der A 20, würde sie nur endlich gebaut, Gewerbebetriebe in Masse ansiedeln würden (Wirtschaftsaufschwung in M-V), wobei das alles nur gequakt wurde, um zu verschleiern, dass ein Transportweg von Nordwesten nach Osten gebraucht wurde. (Bestes Beispiel für die Kaffeesatzleserei ist das immmer noch fast leere Gewerbegebiet bei Grimmen.) Mit der Gasleitung ist ein Transportweg nach Süden geschaffen worden, sonst nichts.
@lupe
AntwortenLöschenDu schreibst:
"Was nutzt es Trinwillershagen, dass Merkel und Kriegstreiber Bush dort von einem zähen Wildschwein aßen?"
Sollte das vielleicht besser heißen:
"Was nutzt es Trinwillershagen, dass die Kriegstreiber Merkel und Bush dort von einem zähen Wildschwein aßen?"
@ kulbrod
AntwortenLöschenIm Prinzip ja. Wer Waffenexporte nicht streng kontrolliert, sondern versucht, sie zu erweitern, könnte auch als Kriegstreiberin angesehen werden.
Wer zulässt und fördert, dass Deutsche als Besatzer in Afghanistan fungieren, kann auch als Kriegstreiber angesehen werden.