19. August 2009

Armutszeugnis ausgestellt, ohne es zu merken

Wie gestern angedroht, verkaufte die OZ heute eine Schlämmerseite, inklusive Werbung für den Film, die Sie mit dem Kauf der Zeitung bezahlten - verkehrte Welt, aber die hatten Sie gestern gleich dreifach.

Was mir allerdings seltsam vorkam, war das Eingeständnis, dass Medien wie die OZ versagt haben (und es meiner Meinung nach auch weiterhin tun werden), wenn sie das vermeldeten, was Bonzen abgesondert hatten. Nur gemerkt hat das mit dem Eingeständnis noch niemand in der OZ, sonst würde ja endlich anders berichtet, so, dass sich das Bezahlen lohnte.

Beispiel eins:
Realitätsverlust: Horst Schlämmer ist überall
... Die Verschlämmerung der politischen Landschaft hat längst vor dem Phänomen Horst Schlämmer eingesetzt, und manchmal hat man (Wer ist man?) den Eindruck, dieser Horst Schlämmer sei nicht mehr eine Kunstfigur als all die anderen Figuren, die da im politischen Berlin oder in anderen Hauptstädten aufgeregt um sich selbst kreisen und sich von ihresgleichen oder von ebenfalls von eigener Wichtigkeit durchdrungenen Alpha-Korrespondenten ihre herausragende Bedeutung immer aufs Neue bestätigen lassen. ...
Genau die Absonderungen der Polit-Figuren (die doch nur Marionetten sind) nehmen die hier genannten sog. Alpha-Korrespondenten auf, um sie wiederum abzusondern, damit sie in allen möglichen Medien wiederum abgesondert werden, wofür gemeinhin, zumindest von der OZ, Geld verlangt wird. Das soll Journalismus sein?

Aber natürlich sind nicht Medien Schuld an dem Dilemma, an dem den Politikern Hinterhergerenne, um irgendwelches Gesülze von den Bonzen entgegenzunehmen und dessen Wiedergabe als journalistische Leistung zu verkaufen, statt zu prüfen, was das Gesülze wert ist.
Wer hat denn - ein Beispiel - bisher die (Fehl-)Leistungen der Regierung überprüft und das Ergebnis veröffentlicht, statt zu mitzuteilen, wie sich Politiker im Wahlkampf bildlich an die Brust schlagen und herausstellen, wie großartig sie waren. Dazu finden Sie hier ein passrechtes Zitat.
Warum wurden - anderes Beispiel - die Lügen der Familienministerin nicht zusammengetragen und den Lesern der OZ präsentiert?
Warum hofierte - drittes Beispiel - die OZ dem Ex-Minipräsidenten Ringstorff, statt ihn wenigstens zum Abschluss seiner Laufbahn mit seiner Lügen und Märchen zu konfrontieren?

Doch Journalisten haben keine Schuld an der Verschlämmerung, will Ihnen die OZ vermitteln, sondern - Sie ahnen es - das böseböse Internet, für die OZ naheliegend. Was hat dieser Abschnitt sonst zu bedeuten?:
Der Schlämmer-Effekt, die gegenseitige Durchdringung von real existierender und virtuell flirrender Wirklichkeit, zeigt: Die einheitlich interpretierte Welt - sie zerfällt und bahnt damit medialen Kunstprodukten den Weg. Die alte Aufteilung in Tag und Nacht, in früher, jetzt und später, in reale und virtuelle Welt - sie geht mit Festplattenrekordern, Skype-Internettelefonie und World Wide Web dahin und zerpixelt die Realität in immer kleinere Parallel-Welten, in der jede ihre zumindest virtuelle Nische findet. ...
Und jetzt wird es vollends gruselig, denn wenn Sie den nächsten Abschnitt gelesen haben, werden Sie froh sein, zukünftig eine Zeitung in den dann noch immer vom Grusel zitternden Händen zu halten zu dürfen, denn nur dort erfahren Sie etwas aus der wahren Welt - wie lächerlich:
Eine solche Welt ist immer weniger greifbar; wenn alles auf Bildschirmen darstellbar und digital manipulierbar ist, wird jede Wirklichkeit irgendwie auch denkbar. (Was der Redakteur wohl nicht weiß: Selbst Unwirkliches ist denkbar! Denken Sie sich das überflüssige irgendwie weg. Hier ein Klein-Fritzchen-Beispiel aus der OZ!) Erst recht, wenn sich die wahrgenommene Wirklichkeit auf Bildschirme beschränkt. Und damit wird eben auch eine Realität vorstellbar, in der Hape Kerkeling als Horst Schlämmer Bundeskanzler werden will ...

Neu ist vielleicht das Ausmaß, in dem sich die Welt als Wille und Vorstellung medial konstruieren lässt. Und die Art und Weise, wie sich Politiker, einst Inbegriff von Würde und Ernsthaftigkeit, als Teil des Showbusiness andienen ...
Das ist nur möglich, weil die meisten Journalisten nicht mehr ernsthaft nachfragen, sondern nachplappern. Allerdings ist es verwerflich, das auf die elektronischen Medien zu beschränken. Im Blog finden Sie eine Vielzahl von Einträgen, die belegen, dass die OZ sogar Lügen nachplapperte und Halbwahrheiten verbreitete.

Eine der schlimmen Sünden des sog. Journalismus ist der sog. Verlautbarungsjournalismus. Den gibt es länger als das Internet und jetzt gibt es ihn auch dort. Per Verlautbarungsjournalismus (Einer sagt etwas, Aufschreiber lassen sich für das Nachgeplappere bezahlen.) machen sich Medien zu Öffentlichkeitsarbeitern z.B. von Politikern, von Kaffeesatzlesern und damit schließlich zu denen des Großkapitals. Den meisten Medien ist es anzurechnen, dass sich Politiker immer blödsinnigere Sachen einfallen lassen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Statt bildlich hinter die Kulissen solcher Schauveranstaltungen zu blicken und das Erkannte wiederzugeben, werden die Kulissen beschrieben; je skurriler das Bühnenbild, desto ausführlicher wird berichtet. Das ist die eigentliche Schlämmerei, die auch auf Zeitungspapier stattfindet.

Wann waren Politiker der Inbegriff von Würde und Ernsthaftigkeit? Und wer hielt sie zu der Zeit für würdig und ernsthaft? Politiker und Würde, wie soll das zueinander passen? Ernsthaftigkeit schon eher, denn viele Politiker sind meiner Meinung nach ernsthaft bemüht, Karriere zu machen.

Nur was haben Medien dazu beigetragen zu zeigen, dass Politiker vor allem Schauspieler sind? Hätten sie Beiträge sozusagen am laufenden Band geliefert, könnten Politiker usw. nicht meist ungestraft lügen, weil ihnen Medien auf die Schliche kämen, was heute die Ausnahme ist, das Auf-Die-Schliche-Kommen. Sie könnten nicht schauspielern, ohne dass ihr Getue entlarvt würde und würden es deshalb lassen. Statt Auskenner zu befragen, suchen sich Aufschreiber schnell irgendwelche Bonzen, die ihr Gesülze gern absondern, um in Erinnerung zu bleiben. Der Wert solcher Aussagen geht allzu oft nicht nur gegen null, sondern wird negativ, wenn gelogen wurde.

Apropos:
Pech für Horst Schlämmer - er hätte seine Partei nur ernsthaft gründen müssen, dann hätte er vielleicht wirklich Kanzler werden können. 18 Prozent in den Umfragen hätte er schon jetzt, ermittelte Forsa soeben. ...
Das ist falsch, er hätte keine 18 Prozent. So ging der Redakteur mit einem (sinnlosen, dennoch geht die OZ darauf ein) Umfrageergebnis um. Wenn ein Redakteur nicht unterscheiden kann zwischen
1. Ich würde ihn wählen und
2. Ich könnte mir vorstellen, ihn zu wählen,
ist er glatt überbezahlt.

Dazu dieses Zitat genau zu der medientypischen Verwechslung:

Es scheint einen breiten Konsens unter Journalisten zu geben, dass die 18 Prozent, die Horst Schlämmer angeblich bekommen würde, wenn er bei den Bundestagswahlen anträte, ein Armutszeugnis für die Politik seien. Dass die ganze Geschichte ein Armutszeugnis für ihren eigenen Berufsstand sein könnte, darauf kommen sie nicht. ...

1 Kommentar:

  1. Anonym20.8.09

    Über den Horsti kann ich wenigstens noch lachen, über die Politiker nicht mehr.

    Wie sagte C. Roth: "Der zeigt uns den Spiegel."
    Später verglich sie ihn mit einem Hasen, weil sie ja tierfreundlich sind.


    Nein, nein, so schlecht kann gar keiner sein, aber er schafft es, unsere Politiker mächtig auf die Schippe zu nehmen.

    Gysie nimmt es als Warnung.

    Westerwelle äußerte sich nur als arroganter Schnösel.

    Was der Mann den Leuten mit Humor vermittelt, haben die 0815 Blätter in all den Jahren nicht geschafft.

    Unsere Politik kann keiner mehr ernst nehmen.

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