9. März 2008

OZ verwandelt unvorhandene Welle in Flut und niemand ertrinkt

Wie ein Redakteur eine dpa-Meldung bearbeitete, zeige ich Ihnen:
Freitag, OZ online,
Klagewelle im Streit um Kraftwerk erwartet
Aus den Erfahrungen bei der Genehmigung anderer Großprojekte in Deutschland sei in diesem Jahr mit einer erheblichen Menge an Arbeit zu rechnen, sagte Gerichtspräsidentin Hannelore Kohl heute. Klagen könnten im Falle einer Genehmigung durch das Staatliche Amt für Umwelt und Natur beispielsweise Umweltverbände wie der WWF. Auch stehe dem dänischen Energiekonzern Dong Energy der Weg einer Anfechtung offen, sollte die Genehmigungsbehörde den Bau des Kraftwerks ablehnen. Es soll bis 2012 entstehen.
Sonnabend in der gedruckten Ausgabe:
Gericht erwartet Klagenflut im Streit um Kohlekraftwerk
Im Streit um die Genehmigung des geplanten Steinkohlekraftwerks in Lubmin stellt sich das Oberverwaltungsgericht in Greifswald auf Klagen ein. Aus den Erfahrungen bei der Genehmigung anderer Großprojekte in Deutschland sei in diesem Jahr mit einer erheblichen Menge an Arbeit zu rechnen, sagte Gerichtspräsidentin Hannelore Kohl. Klagen könnten im Falle einer Genehmigung durch das Staatliche Amt für Umwelt und Natur beispielsweise Umweltverbände wie der WWF. Auch stehe dem dänischen Energiekonzern Dong Energy der Weg einer Anfechtung offen, sollte die Genehmigungsbehörde den Bau des Kraftwerks ablehnen. Es soll bis 2012 entstehen.
Oho, die Klagewelle schwoll innerhalb von 24 Stunden zur Klageflut an. Weder die eine noch die andere Schlagzeile hat einen Sinn, ist Informationsnebel, nachrichtenfrei, hört sich aber sehr gefährlich an: "Flut! Wir ertrinken! Rettet uns!". Außerdem passt es zum Werbespruch der OZ: "Weil wir hier zu Hause sind", an der Ostsee.

Ehe Ihnen ein Schauer den Rücken herunterläuft, wenn Sie an die geweissagten Flutopfer denken, die irgendwann mit geblähten Bäuchen auf der Ostsee, dem Ryck in Greifswald oder sonstwo schwimmen werden, noch diese Unterschiede in der Meldung und deren Verarbeitung:
Freitag, OZ online:
Unterdessen konnte an den beiden Verwaltungsgerichten in Schwerin und Greifswald der Verfahrensstau im vergangenen Jahr spürbar abgebaut werden. In Schwerin sank der Bestand der anhängigen Verfahren von rund 4800 auf 4000, in Greifswald von rund 2050 auf 1900. Auch am Oberverwaltungsgericht ging die Zahl der anhängigen Verfahren um 80 auf aktuell 631 Verfahren zurück. Diese Entwicklung sei sehr erfreulich, sagte Kohl. Ursache sei zum einen der Rückgang an Eingängen und zum anderen der große Arbeitseinsatz der Richter.
Sonabend, gedruckte Ausgabe:
Unterdessen konnte an den beiden Verwaltungsgerichten in Schwerin und Greifswald der Verfahrensstau spürbar abgebaut werden. Ursache sei zum einen der Rückgang an Eingängen und zum anderen der große Arbeitseinsatz der Richter.
Hallo! Wo sind die Zahlen geblieben, die ohne die Schönrednerei der Gerichtspräsidentin eine ganz andere Aussage ergeben?

Was den Lesern der gedruckten Ausgabe verschwiegen wurde? Die drei Gerichte mussten 6531 Klagen aus dem Jahr 2007 und den Vorjahren (Die ältesten, zum Teil aber rechtlich sehr komplizierten Verfahren stammen aus dem Jahr 1998. OZ online) in das Jahr 2008 übernehmen. Das ist nicht des Meldens wert!

Warum nicht?
Ich ahne, dass der Redakteur erkannte, dass einerseits nichts über die Zahl der zu erwartenden Klagen gesagt wurde und sie deshalb kenntnisfrei zu einer Flut hochgespielt wurde.
Andererseits klopfte die Gerichtspräsidentin im übertragenen Sinne den Richtern und sich auf die Schultern: Wir sind die großen Verfahrenabbauer!

Und nun haben die Richter eine prima Ausrede, wenn in diesem Jahr kein Verfahrensabbau stattffände, denn geklagt wird nicht nur wegen des Kraftwerksbaues.

Vor allem aber haben die Kraftwerksbefürworter - vom lügenden Ministerpräsidenten bis zum Malermeister aus Greifswald - ein Argument, das natürlich keines ist, weil Zahlen fehlen: Gäbe es diese Quertreiber, diese Landeswirtschaftsfortschrittsaufhalter nicht, könnte in aller Ruhe die Dreckschleuder gebaut werden und die Behörden wären nicht zusätzlich belastet.

Genau umgekehrt wird der sprichwörtliche Schuh daraus. Die Behörden würden eine Menge Arbeit und Geld sparen, würden also entlastet, bänden sie die Kraftwerksgegner mit ihren Erfahrungen, Untersuchungen und Vorschlägen in ihre Arbeit ein. Dass das niemand erwägt, zeigt, wie dort über die Gegner gedacht wird, denn sie müssen ihre Mitarbeit erzwingen.

Ganz nebenbei: Gäbe es keine Klagen, von niemandem, wäre im Sinne der Behörden der Idealzustand erreicht. Sie könnten machen, was sie wollen und die Gerichte könnten die 6531 Verfahren schön verteilt in aller Ruhe verhandeln.

Ganz zum Schluss: Worin besteht die Nachricht in den 190 Wörtern, die den Lesern zugemutet wurden? Die Kraftwerksgegner stören unnötig die Arbeit der Behörden. Wenn so etwas aus einer Nachricht lesbar ist, frage ich mich, wo in der OZ die Grenze zwischen Propaganda und Journalismus gezogen wird.

Fazit:
Ihnen wurden statt einer Nachricht Meinungen und versteckte Propaganda verkauft und Sie haben dafür bezahlt.

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