10. Dezember 2007

Parole: Vertuschen, verharmlosen, verblöden

Die OZ berichtete über den Tourismusverband der Insel Usedom:Was sind die Touristiker denn nun? Sie sind für das Kraftwerk, ist doch klar. Doch genau so, wie die Touristiker sich hinter einem Gutachten verstecken, das vom Investor Dong Energy bezahlt wurde (das ist einfach lächerlich), ebenso drückt sich der Autor vor einer verständlichen Schlagzeile.

Das Verhalten des Tourismusverbandes hätte Thema eines Kommentars werden müssen:
Worin unterscheiden sich Umweltschützer und Touristiker? Umweltschützern geht es um den Erhalt der Natur, Touristikern geht es ums Geldverdienen. Das haben sie mit ihrem Entschluss bewiesen.

Wann endlich fragt jemand diese Leute, wie viel Geld Dong in Aussicht gestellt hat, wenn der Verband dem Vorhaben zustimmt?

Worum es den Usedomer Touristikern vor allem ging, geht aus ihrer 1. Frage an die Gutachter hervor:

Welche Auswirkungen für das Image der Tourismusregion sind durch die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes zu erwarten? Wie kann möglichen negativen Reaktionen aktueller und potenzieller Gäste sowie einer möglichen
negativen Berichterstattung in den Medien begegnet werden?

Es ist also egal, wie Menschen, Tier- und Pflanzenwelt beeinflusst werden. Hauptsache, es ist nicht zu sehen. Die Gutachter geben die entsprechenden Hinweise. Ich fasse sie zusammen: Schnauze halten und vertuschen, was zu vertuschen geht. Hier einige Auszüge aus dem Gutachten. Überzeugen Sie sich selbst:

... Wer eine negative Informationspolitik betreibt, gefährdet den Tourismus in der Region. Dies sollte allen bewusst sein. Insofern empfehlen auch die Gutachter, dass die Bezeichnung des Kraftwerkes geändert wird. ...
Um die medialen Effekte zu vermindern, sollte generell nicht von einem Steinkohlekraftwerk, sondern von einem Kraftwerk gesprochen werden. Um die Verbindung des Kraftwerkes mit der Tourismusregion zu mindern, sollte auch nicht von Lubmin oder Greifswald oder gar von Rügen oder Usedom gesprochen werden, sondern man sollte einen neutralen Namen wählen. Dies würde eine Verortung schwieriger gestalten und damit vor negativen Auswirkungen auf den Tourismus schützen. ...
(Hervorhebung von mir)


Medienberichterstattung führt häufig dazu, dass nicht von einzelnen Orten, sondern von Regionen gesprochen wird. Daher kann es schnell dazu kommen, dass das Kohlekraftwerk mit Usedom oder Rügen verbunden wird, so wie es bereits heute in regionalen Medien der Fall ist. Entsprechend birgt auch heute schon der Umgang mit dem Thema erhebliche Risiken. Ist die Berichterstattung heute auch noch weitgehend regional, so hat es jedoch schon überregionale Berichterstattungen z.B. im Fernsehen gegeben. Wird die Diskussion und auch der politische Streit um den Bau des Steinkohlekraftwerks nun weiter in den Medien verbreitet, so könnte dies zu einem touristischen Nachteil für die gesamte Region werden. Verschärft würde das Problem, wenn nicht nur abstrakt von dem Bau eines Kohlekraftwerkes gesprochen wird, sondern wenn darüber hinaus konkrete Probleme auftreten, wie beispielsweise die Aberkennung eines Seebadstatus einzelner Orte oder das Auftreten von Blaualgenwachstum Anlass für die Berichterstattung sind. Insofern ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens in besonderer Weise darauf zu achten, dass hier entsprechende Probleme verhindert werden. ...

Die fehlende Sichtbarkeit des Kraftwerkes aus den haupttouristischen Zentren führt dazu, dass Urlauber nicht mit dem Thema konfrontiert werden. ...

Werden Touristen nicht direkt mit dem Thema konfrontiert, so beachten sie solche Betriebe nicht, zumal sie in den touristischen Kernregionen Usedom und Rügen allenfalls am entfernten Horizont wahrgenommen werden. Die Auswirkungen auf den Tourismus und die touristische Entwicklung bleiben damit gering. ...

Und nun erfahren die Leser des Gutachtens, wie der Tourismus vom Steinkohlekraftwerk profitieren soll. Halten Sie sich gaaaaaaaanz fest!

Durch die Schaffung eines Energieinformationszentrums kann hier Aufklärung
betrieben werden. Gleichzeitig kann ein solches Zentrum dazu dienen, dass sich Menschen mehr mit den energiepolitischen Fragestellungen der heutigen Zeit auseinandersetzen. Dies reicht über Themen von alternativer Energie bis zum Klimawandel. Eine entsprechende Gestaltung eines Edutainment Centers würde nicht nur zusätzliche Besucher in die Region Lubmin bringen, sondern gleichzeitig über die tatsächliche Situation aufklären. Gleichwohl muss aber
darauf hingewiesen werden, dass das geplante Steinkohlekraftwerk nicht zu einer touristischen Hauptattraktion der Region werden kann. Dies gilt umso mehr, als sich die touristisch besonders relevanten Regionen auf Rügen und Usedom nicht gleichzeitig naturverbunden und industriegeprägt positionieren können. ...

Insgesamt sind darüber hinaus die positiven Aspekte zu beachten, die mit einer Ansiedlung von Dong Energy, d.h. einem großen Industrieunternehmen in der Region, verbunden sind. Für die Gemeinde Lubmin bedeutet dies nicht nur hohe Steuereinnahmen (Gewerbesteuer), sondern auch eine Belebung der Wirtschaft über die Schaffung von Arbeitsplätzen, Ansiedlung von Mitarbeitern in der Region usw. Dies hat indirekt positive Effekte für die Tourismusentwicklung, indem Umsätze in Gastronomie und Handel steigen und notwendige Investitionen in die touristische Infrastruktur getätigt werden können (Natürlich wird nicht einfach investiert, sondern es wird getätigt.).

Ebenso tritt Dong Energy als Sponsor auf, auch hiervon kann der Tourismus profitieren. Dies betrifft Veranstaltungen, deren Finanzierung heute nicht immer sichergestellt ist, ebenso, wie eine mögliche Unterstützung bei Investitionen. Derartige Projekte kommen nicht nur dem Tourismus und der Infrastruktur in der Region zugute, sondern sind auch mit Unterstützung eines regional ansässigen Unternehmens besser zu realisieren. Der Tourismus kann heutzutage mit Hilfe des Sponsoring entscheidend gefördert werden, viele Destinationen bemühen sich hier um ein stärkeres Engagement der Industrie, Dong Energy hat diese Bereitschaft bekundet.


Nachdem ich diesen letzten Abschnitt gelesen habe, ist mir klar, warum der Tourismusverband zugestimmt hat. Warum um aller Welt steht davon nichts in dem OZ-Bericht?

Und warum wird diese Aussage aus dem OZ-Bericht nicht hinterfragt:
... Tourismusverbandsvorsitzender Gerd Schulz sagte, dass aus dem Vorstand niemand glücklich über das geplante Projekt ist. "Wir müssen uns aber der Realität stellen. Und die heißt, dass es in Lubmin einen ausgewiesenen Industriestandort und einen Investor gibt. Wir erwarten, dass die Genehmigungsbehörden sich nicht nur von den allgemeinen Grenzwerten und Vorgaben leiten lassen, sondern von den spezifischen Bedingungen einer Tourismusdestination. Die größte Gefahr für den Tourismus geht vom medialen Umgang mit dem geplanten Bau des Kraftwerks aus", so Schulz. ...
Alles klar: Nicht die Dreckschleuder ist schuld, wenn weniger Touristen kommen, sondern jene, die das Kraftwerk nicht wollen. Niemand fragt Schulz, ob da nicht der Gärtner zum Bock gemacht wird.

Unfassbar, was für ein Unsinn an die Leser weitergegeben wird.
Dazu passt top die Abo-Werbung:

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