6. März 2007

So geht Werbung in die sprichwörtliche Hose

Ich finde es bedrückend, wenn eine Zeitung eine Probeabonnement anbietet und der Kundendienst die Zeitung anpreist wie das sprichwörtliche Sauerbier, bevor sich der Probeleser selbst einen Eindruck von dem Produkt verschaffen kann. Nichts anderes tut der OZ-Kundendienst. Hinzu kommen stilistische Kostbarkeiten, die dem Kundendienst einer Tageszeitung nicht passieren sollten.

So behauptet der Kundendienst, die Zeitung berichte "aktuell und ausführlich über alle Themen des Welt- und Lokalgeschehens", womit er zugleich behauptet, dass tatsächlich genauso viel in der Welt passiert, wie in eine Zeitung hineinpasst. Wers glaubt, wird selig. Dass interessante Informationen nicht in die OZ passen, belegt die heutige Ausgabe unter anderem mit diesen Beispielen.
In dem Bericht

Wirtschaft sagt 60 000 neue Lehrstellen pro Jahr zu
ist zu lesen:

Die Gewerkschaft ver.di ließ hingegen kein gutes Haar an der Neuauflage des Paktes. ... Bei dem Pakt werde verschwiegen, dass seit 2004 rund 50 000 betriebliche Lehrstellen weggefallen seien.
Unter den Redaktionstisch fiel dies:

Mit vielen neu Ausbildungsplätzen würden de facto nur die ausgeglichen, die bei anderen Betrieben gestrichen würden. Das bestätigt auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Danach fallen jährlich rund 45.000 Lehrstellen weg. Insgesamt ist die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren daher kaum gestiegen ... "Kritisch ist vor allem, dass mehr als die Hälfte der neuen Bewerber so genannte Altbewerber sind", sagt Sehrbrock. Altbewerber werden jene Bewerber genannt, die sich schon im vergangenen Jahr um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, aber weder einen der neuen Ausbildungsplätze, noch einen Platz für ein qualifizierendes Praktikum oder einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz bekommen haben. "Das heißt, sie befinden sich in einem Übergangsbereich, drehen Warteschleifen und werden dabei alt und älter." ...

Es geht also nicht allein um meckernde Gewerkschafter. Und das nennt der OZ-Kundendienst ausführliche Berichterstattung.

Tagelang machte die OZ die Öffentlichkeitsarbeit für den Fernsehzweiteiler "Die Flucht". Nichts las ich darüber:

Der Historiker Heinrich Schwendemann hat die Darstellung des preußischen Adels im ARD-Fernsehfilm "Die Flucht" scharf kritisiert. Es werde ausgeblendet, dass Ostpreußen eine Bastion des Nationalsozialismus gewesen sei und der Adel Adolf Hitler zur Macht verholfen habe, sagte der Wissenschaftler von der Universität Freiburg. Das Adelsmilieu werde "völlig überzeichnet und in ein falsches Licht gestellt".


Nun die Stilblüten:

Die Journalisten werden Sie engagiert und lebendig mit Informationen versorgen? Kann ein toter Journalist auch informieren, oder im OZ-Stil: mit Informationen versorgen?
Die Zusteller liefern pünktlich und bequem? Werden sie in Sänften zu den Briefkästen getragen?
Das alles kann ganz schön abschrecken, die OZ zu lesen.

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