29. Januar 2007

Vereinigte Angstmacher

Nachdem ich schon im vergangenen Sommer keine Deutscher sein durfte (Ganz Deutschland im WM-Fieber), bin ich schon wieder keiner und mit mir Abermillionen Menschen in diesem Land, jedenfalls nach der Definition der Ostsee-Zeitung, denn ich habe keine Angst um meine Rente und lasse mir auch keine Furcht einschreiben. Die OZ verkündete am Wochenende.
Die Dachzeile über der Blickpunkt-Seite lautete:
Schon jeder Dritte misstraut der staatlichen Altersvorsorge
So weit, so schlecht: Jeder Dritte ist auf die vereinte Dauerpropaganda hereingefallen, immerhin zwei von drei Deutschen nicht. Doch dann las ich die Schlagzeile über dem Aufmacher:
Die Deutschen haben Angst um ihre Rente
Arm im Alter – davor ist vielen bange.
Also haben doch nicht alle Angst, wie in der Schlagzeile behauptet wurde! Was ist denn nun richtig?
Damit Sie weder Angst um Ihre Rente noch um Ihre Zugehörigkeit zur deutschen Nation haben: Die Schlagzeile ist Unsinn, Angstmache, Propaganda.

... Nach der Allensbacher Studie im Auftrag der Postbank hat inzwischen jeder dritte Deutsche „gar kein Vertrauen“ mehr in die Stabilität einer berufsständischen Altersvorsorge ...
Aha, aber Angst haben alle Deutschen.

Warum gab die Postbank die Umfrage in Auftrag, um die Deutschen mit den Zahlen zu beglücken, oder um herauszufinden, wie und an wen sie ihre Altersvorsorge-Produkte verkaufen kann? Hat ein OZ-Redakteur die Ergebnisse der Studie gelesen? Wurde sie überhaut schon veröffentlicht? Lesen Sie bitte
hier nach.

Dann darf Philipp Mißfelder verkünden, Vorsitzender der Jungen Union und jener, der 80-Jährigen ein künstliches Hüftgelemk versagen will:

Langfristig müssen sich die Jungen darauf einstellen

Der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation meint: „Langfristig müssen sich die Jungen darauf einstellen, noch länger zu arbeiten. Die Rente mit 70 wird kommen.“ Zugleich kritisierte Mißfelder die bisherige Rentenpolitik scharf ...
Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung, darf kontern:
Die Idee ist absoluter Quatsch
Die Idee vom Rentenbeginn mit 70 bezeichnet Rische als „absoluten Quatsch“. ... Rische betont, die Renten-Rendite bleibe mit etwa drei Prozent positiv, auch wenn das Rentenalter bis 2029 von derzeit 65 auf 67 Jahre angehoben werde. Das Rentenniveau werde in den ommenden
Jahren jedoch sinken.
...
Diese Information bietet die OZ, ohne sie zu kommentieren:
Private Policen vom Staat
Nach einer Studie von Steria Mummert Consulting will die Deutsche Rentenversicherung künftig ihren Versicherten in Kooperationen mit der privaten Versicherungswirtschaft auch kapitalgedeckte Vorsorgeformen anbieten. Mit der Direktvermarktung soll der Kundenservice verbessert und zugleich eine neue Einnahmequelle erschlossen werden.
Genau, bei der Propaganda um das sog. Generationenproblem geht es um nichts anderes als um die Erschließung von Märkten. Dass sich eine staatliche Einrichtung, ausgerechnet die Rentenversicherung, dafür hergeben würde, ist der komplette Irrsinn.


Im Keller der Blickpunkt-Seite noch eine gehörige Portion Angstmache:

„Generationenvertrag nicht aufrechtzuerhalten“

Sachsens Landeschef Georg Milbradt (CDU) sorgt sich im Gespräch mit „Welt.de“ um die Zukunft unserer Gesellschaft.
Tatsächlich? Ich meine, er sorgt sich um die Versicherungswirtschaft und um die Banken. Außerdem möchte er die Unternehmen von ihren anteiligen Kassenbeiträgen entlasten und dem Einzelnen die Kosten aufbürden. Das ist nicht das Ende des Generationenvertrages, weil es ihn nicht gibt, sondern das Ende der Solidarität in der Gesellschaft. Genau das fördert der Ministerpräsident.

VIch wüsste gern, warum ausgerechnet der Mann Rentenexperte ist? In Sachen Rente trägt der Mann Scheuklappen, so groß wie Türen. Im vergangenen Jahrhundert erhöhte sich die Lebenserwartung der Deutschen um 30 Jahre. Sie verloren zwei Weltkriege und sind heute so reich wie noch nie. In den kommenden 50 Jahren soll die Lebenserwartung um sechs bis neun Jahre steigen. Wo also ist das Generationenproblem?
Weil wir immer weniger Kinder haben und – erfreulicherweise – älter werden, ist der bisherige Generationenvertrag nicht aufrechtzuerhalten.
Von welchen Generationenvertrag lässt der Interviewer den Mann schwafeln? Ich habe keinen unterschrieben, er auch nicht.
... Wir müssen die Menschen darauf vorbereiten, dass wir dringende Reformen brauchen. Das bezieht sich auf die Sozialsysteme: das Rentensystem, die Pflegeversicherung, das Gesundheitssystem.
Sie müssen vom reinen Umlagesystem zu mehr Kapitaldeckung umgebaut werden.
Aha, dann werden wieder mehr Kinder geboren. Ein grandioser Blödsinn!

Angst bekomme ich vor Menschen, die auf diese Weise Propaganda betreiben dürfen und vor Redakteuren, die sie dabei unterstützen.

Mit keinem Wort erwähnt Milbradt, wodurch das Rentensystem voll funktionsfähig bliebe:

1. Sozialversicherungspflichtige Arbeit für fünf Millionen Menschen in Deutschland, die arbeiten möchten, es aber nicht dürfen. Stattdessen wird von einer mittelmäßigen Politikerkaste immer neuer Blödsinn entwickelt, neuerdings ein sog. 3. Arbeitsmarkt, um die Arbeitslosenstatistik noch mehr zu schönen.
2. Ausbildungsplätze für alle Schulabgänger, statt 50 Prozent von ihnen in sog. Warteschleifen zu belassen. Was soll das Geschwafel von zu wenig Kindern, wenn junge Leute keine Arbeit erhalten oder ins Ausland abwandern?
3. Das Erarbeitete besser verteilen.
Dazu bitte
hier nachlesen und auch hier.

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