1. April 2010

Wo sind die Arbeitslosen, die nicht mehr arbeitslos sind?

Als hätte der Chefredakteur die Parole ausgegeben: Vor Ostern wir schöngeschrieben, ist an verschiedenen Stellen in der OZ zu lesen, wie toll sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Möglich, das ist die vorösterliche Art des kritischen Hochwertjournalismus, den sich der Chefredakteur vorstellte, als er während des vorigen Neujahrsempfanges der OZ schwadronierte:
... Aber wir brauchen diese kritische Berichterstattung wie die Luft zum Atmen, denn wenn das nicht mehr funktioniert, wenn Artikel verhindert werden können durch einen Anruf in der Chefredaktion oder bei der Geschäftsleitung - dann beginnen wir dorthin zu driften, wo die Presse in der DDR war ...
Er selbst macht mit einem Kommentar vor, wie OZ-Journalismus funktioniert:
Frühlingserwachen auf dem Arbeitsmarkt
Zeit für positive Signale
... 3500 Arbeitslose weniger in Mecklenburg-Vorpommern als noch im Februar. Das ist eine gute Nachricht, die auch zum Osterfest passt. ...
Wenn  schon, dann, dass die zu jedem Osterfest passte? Und was ist daran gut? Wie auch der Chefredakteur wissen wird, verringert sich die Zahl der Arbeitslosen in jedem Frühjahr, in M-V ganz besonders. Es ist also weder eine gute Nachricht, noch überhaupt eine. Dann wäre auch eine Nachricht, dass heute die Sonne aufgegangen ist (Bunkerbewohner geben auch dafür Geld und auch für die Kunde über das Wetter vom vergangenen Monat).
... Die Hoteliers haben inzwischen versprochen, dass sie die Steuergeschenke vom Staat (niedrigerer Mehrwertsteuersatz) in Modernisierung und Ausbau stecken oder auch ihre Beschäftigten besser bezahlen. ...
Wem haben sie das wann versprochen? Wer kontrolliert, ob sie das Versprechen (Haben es alle gegeben? Denn der Chefredakteur schert bildlich alle Hoteliers über eine Kamm, auch so eine Dauer-Unart in der OZ) halten? Und wenn sie das tatsächlich alle versprochen haben sollten (Glaubt selbst der Chefredakteur nicht, wenn doch, sollte er in Pension gehen noch einmal darüber nachdenken.) und einige oder viele halten das Versprechen nicht? Was dann? Müssen sie dann wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen? Will etwa die OZ das alles nachprüfen? Wenn nicht, sollte sie solch einen Quatsch nicht verbreiten. Andere werden gar nichts prüfen.

Im Übrigen bleibt etlichen Hotelieres nichts anderes übrig, als höhere Löhne zu zahlen, sonst können sie bald selbst die Betten beziehen, Zimmer und Flure reinigen und für das Frühstücksbuffett aufbauen.
... Damit Urlauber besser an die Küste kommen, hat die Lufthansa letzten Samstag die Verbindung München-Rostock-Laage (zweimal pro Woche) gestartet. Meck-Pomm wird verkehrsmäßig besser angebunden — mit einer Qualitäts-Airline. ...
Jahaaahh, Waaaahnsinn! Und dann auch noch eine Qualitätsairline! Du meine Güte! Das Stündchen in der Luft werden Urlauber auch in einer Billigairline überleben.
Zwei Mal in der Woche landet also eine Maschine. Mit wie vielen Fluggästen maximal? Richtig, mit 86 Personen, mal zwei macht maximal 173 Personen pro Woche. Da brennt die Luft, nicht nur in Laage, nicht nur die Region Rostock, sondern laut Chefredakteur an der gesamten Küste, denn M-V wird besser angebunden, quasi überschwemmt mit Leuten, die aus den Flugzeugen steigen. Da ließ der Chef wohl die Phantasie allzu eifrig überschäumen.

Noch eins: Ich wollte nichts mehr zum Arbeitsmarkt und der verblödenden Statistik schreiben, die die OZ Monat für Monat regierungsergeben nachplappert.
Doch heute bejubelt (im OZ-Jargon berichtet kritisch und auch noch hochwertig) die OZ gleich mehrfach die Arbeitslosenzahlen.
Ein Beispiel:
Wir stellen jetzt ein
Endlich wieder ein Aufschwung auf dem Stellenmarkt im Land: „Allein im März wurden uns 3900 freie Arbeitsplätze gemeldet“, freut sich der Chef der Arbeitsagentur Nord, Jürgen Goecke. Das seien neun Prozent mehr Stellen als im März 2009. ...
Mehrfach geschönt ist die Zahl der Arbeitslosen. Es waren im März in M-V 129000 Menschen offiziell arbeitslos. Teilen Sie selbst die Zahl der Arbeitslosen durch die Zahl der neuen Stellen.
Übrigens so teilte die OZ das den Lesern gegen Geld mit:
Seit Februar sank die Zahl der Menschen ohne Job um 3500 auf nun 129 000, teilte die Regionaldirektion Nord der Bundesarbeitsagentur gestern mit.
Das hat sie nicht mitgeteilt. Sie hat mitgeteilt, wie viele Personen laut offizieller Statistik arbeitslos gemeldet sind. Das ist ein himmelweiter Unterschied, denn in ganz Deutschland sind 1,2 bis 1,3 Millionen Menschen zusätzlich zu den offiziell Arbeitslosen ohne Arbeit - außer in M-V, glaubte ich dem Quatsch der OZ.

In M-V haben z.B. die sog. Ein-Euro-Jobber Arbeitsstellen? Laut OZ ja.
Und die über 58-Jährigen, die vorzeitig ausgeschieden sind und nicht mehr vom Arbeitsamt behelligt werden möchten? Haben die Arbeit?
Jene, die in Weiterbildung und Umschulung und ich weiß nicht, wo noch versteckt werden, haben die einen Job?
Die Werftarbeiter in den Beschäftigungsgesellschaften, was machen die den lieben langen Tag?
Arbeitslose, die sich krank gemeldet haben, sind nicht arbeitslos, haben dennoch keinen Job, laut OZ haben sie ihn doch.
Usw.

Total langweilig war natürlich, dass die Zahl der SV-pflichtigen Arbeitsverhältnisse um 10000 zum Vormonat zurückging und 633 weniger sind als im Vorjahresmonat (jeweils Zweimonatsvergleich). Wo also sind die Arbeitslosen geblieben, die nicht mehr arbeitslos sind? Fragen Sie den Chefredakteur, auch wenn es sich nicht schönschreiben lässt.

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