1. August 2008

Schüler aus Alg 2-Familien haben Anspruch auf Zusatzleistungen

Die OZ wartet mit einem Ratgeber Schule auf, der "die Lebenswirklichkeit ausblendet angesichts der vielen Menschen, die in diesem Lande auf ALG II bzw. ergänzendes ALG II angewiesen sind!". Das ist die Ansicht von Gregor Kochhan, Referent Existenzsicherung des Diakonischen Werkes – Landesverband, in Greifswald.

Ich schließe mich seiner Meinung an, gebe jedoch zu bedenken, dass Alg 2-Empfänger kaum zu den Käufern der OZ gehören.
Statt darauf hinzuweisen, dass für Schüler aus Alg 2-Familien Zuwendungen für die Schule beantragt werden können, ratgeberte die OZ lieber, dass Fettes und zu Zuckerhaltiges ungesund für Schüler ist, sozusagen für Leser, die aus dem sog. Mustopf kommen.

OZ-Leser, die in ihrer Verwandtschaft und Bekanntschaft Alg 2-Empfänger haben, sollten deshalb diese wichtigen Hinweise Kochhans und von Tacheles e.V. weitergeben:

- Rechtzeitig Anträge auf Schulbedarfe stellen. Dazu gehören z.B. Arbeitshefte, Atlanten, Taschenrechner, Formelsammlungen, Schreibhefte, Material für den Kunstunterricht, Turnsachen, und Kosten für eintägige Klassenfahrten. Kosten für mehrtägige Klassenfahrten sind hier nicht zu nennen, da sie schon nach dem SGB II von der ARGE übernommen werden müssen.

- Anträge mit möglichst genauer Auflistung der benötigten Schulmittel sollten beim zuständigen Sozialamt gestellt werden. Erklärt dieses sich für unzuständig, muss es den Antrag an die ARGE weiter leiten. Die Anträge sollten auch bereits jetzt gestellt werden, um bei einer Ablehnung noch rechtzeitig gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

- Lassen Sie sich keinesfalls mündlich abweisen. Sie haben bei Ablehnung ein Recht auf einen schriftlichen Bescheid mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung. Dagegen kann dann kostenfrei Widerspruch eingelegt werden. Nur so läßt sich erreichen, dass das Verfahren „offen” bleibt und ein späteres Grundsatzurteil auch für Sie gilt. Wenn ein formeller Widerspruchsbescheid ergeht, kann dagegen Klage beim Sozialgericht – ebenfalls kostenfrei – erhoben werden.

- Betroffene erhalten in diakonischen Beratungsstellen Rat und Unterstützung.

- Die Anträge können formlos gestellt werden. Wer einen Musterantrag bevorzugt, kann ihn hier herunterladen (Webseite unten, unter "Links").

Hintergrund:

Politiker aller Parteien sind der Ansicht, dass in den Regelleistungen für Kinder von Hartz IV- und Sozialhilfebeziehern nahezu keine Mittel für besondere Schulbedarfe enthalten sind. Mit einstimmigem Beschluss vom 23. Mai 2008 forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, bis zum Jahresende die Regelleistungen für Kinder zu überprüfen und dabei insbesondere auch die Kosten für Lernmittel zu berücksichtigen. Zurzeit ist in der Regelleistung etwa für Grundschüler lediglich ein Betrag in Höhe von ca. 1, 60 € pro Monat für Schreibwaren enthalten. Besondere Bedarfe z.B. zur Einschulung oder zum Schuljahresbeginn wurden schlicht vergessen.

Rechtsgrundlagen für entsprechende Anträge seien bei verfassungskonformer Auslegung bereits jetzt erkennbar. Dies haben bereits einige Landessozialgerichte auch so entschieden, z.B. das LSG Niedersachsen-Bremen und das LSG NRW zu der noch geltenden Rechtslage. Streit herrscht lediglich bei der Frage, welche Gesetze und damit welche Zuständigkeiten (Sozialamt oder ARGE) einschlägig sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google