20. Februar 2006

Das müssen Sie lesen!

Mit seinem Text in der "Zeit"
Die Frau, die den Staat abschafft
hat der österreichische Schriftsteller Robert Menasse vielen Deutschen einen sprichwörtlichen Spiegel vorgehalten, unter anderem den Wählern und jenen, die über Politik berichten. Ich empfehle jedem, den Artikel zu lesen, besonders den Kommentar-Schreibern in der Mantelredaktion.
Hier Auszüge aus dem Menasse-Text:

Die Hälfte der Wähler wollte die einen nicht, die andere Hälfte wollte die anderen nicht, weshalb alle bekamen, was keiner wollte: die Große Koalition. Sinniger hätten sich die List des ideellen Gesamtsubjekts »Wählerwille« und zugleich der leere Formalismus einer von Wirtschaftsinteressen entmachteten Demokratie nicht zeigen können.
Wenn Wirtschaftsinteressen regieren, ist unerheblich, wer welches politische Amt bekleidet. Dann gilt nur noch die Frage, welchen politischen Repräsentanten es besser gelingt, die materiellen Ansprüche der Wirtschaft in ideelle politische Ansprüche zu übersetzen und
politische Zustimmung zur realen Verabschiedung der Politik zu organisieren.


Dies ... war die historisch neue Anforderung an das Amt, das Angela Merkel antrat: nicht das Gemeinwohl zu fördern, sondern das Gemeinunwohl zu befrieden. Zumindest zu verblüffen und dadurch definitiv durchzusetzen, dass die Staatsbürger die Entstaatlichung des Staates und das Aufgeben seiner Aufgaben so freudig konsumieren wie eine neue Zahnpasta auf dem Markt (»NEU! MIT VERBESSERTER FORMEL!«), statt sich zu fragen, wieso sie sich in einem der reichsten Länder der Welt nicht mehr den Zahnarzt leisten können.
Irgendwann wird Angela Merkel als größte Zäsur in der politischen Geschichte Deutschlands nach 1945 und 1989 gesehen werden, ... weil sie der erste Mensch war, der in Deutschland dieses Staatsamt eroberte, um die Aufgaben eines Staatsmanns bewusst und willfährig zu destruieren. Dass sie kein Mann ist, hilft lediglich zu verschleiern, dass sie die Aufgaben des Staats nicht mehr zu erfüllen bereit ist.


Sie (Merkel) sagt die Floskeln, die man von ihr erwartet, und stolpert nicht über die Kulissen. Dafür wird ihr gehuldigt von jenen, die schon die längste Zeit »Staat« nur als Synonym für die organisierten Privatinteressen einiger weniger verstehen.

5 Kommentare:

  1. Anonym20.2.06

    Über diesen Artikel habe ich mich schon in der gedruckten Ausgabe der "Zeit" geärgert. Die angebliche Ohnmacht der Politik und der Demokratie im allgemeinen vor dem Kapitalismus ist in meinen Augen eine der absurdesten Ideen der Linken. Beispiele, Indizien oder gar Beweise für die aufgestellte Behauptung tauchen in dem Artikel nicht auf. Wieso auch? Schließlich ist doch jedem Linken klar, dass "das Kapital" oder "die Wirtschaft" zutiefts böse sind und im HIntergrund die Fäden ziehen. Und wenn schon: Wenn etwas gut für "die Wirtschaft "ist, ist es dann schlecht für das gemeine Volk? Letzlich sind wir alle "die Wirtschaft", die Kleinunternehmer, der Mittelstand und die großen Konzerne. Politik gegen "Wirtschaftsinteressen" ist daher nicht pauschal gut, Politik für "Wirtschaftsinteressen" ist nicht pauschal schlecht. Warum das Gegenteil der Fall sein sollte, und wie sich die angebliche "Kapitulation" der Politik vor den Wirtschaftsinteressen zeigt, erwähnt der Autor leider nicht.

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  2. Bitte nicht ärgern! Doch muss ich fragen: Haben Sie gestern "Frontal" im ZDF gesehen? Dort wurde bewiesen, wie EON Ruhrgas und die Bundesregierung miteinander verbandelt sind, zum Nachteil der Enegieabnehmer.
    Noch etwas: Mit Sicherheit meinte Menasse nicht den Malermeister mit einem Gesellen, sondern jene Konzerne, die tatsächlich wirtschaftliche Macht haben.
    Noch etwas aus dem jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung:
    "Die Einkommensarten entwickeln sich wieder sehr ungleich: Während die Arbeitnehmerentgelte, nach einem Rückgang im Vorjahr, voraussichtlich nur leicht zunehmen werden, ist bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen mit einem weiteren markanten Zuwachs von 7¼% nach 6,1 % im Vorjahr zu rechnen. Ein Anstieg der Gewinneinkommen ist für die gegenwärtige konjunkturelle Position nicht ungewöhnlich."

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  3. Anonym23.2.06

    Ja, ich habe die Sendung gesehen. Die Gaswirtschaft hat mit Sicherheit großen (und durchaus schädlichen) Einfluss auf die Politik. Aber gerade die Verhältnisse dieser Branche lassen sich nicht verallgemeinern: Die Liberalsiserung der Energiewirtschaft muss durch den kaum vorhandenen Wettbewerb meiner Ansicht nach als gescheitert betrachtet werden. Andere Privatisierungen, wie z.b. die der Deutschen Telekom sind dagegen gelungen. Im übrigen gehörten die im Beitrag erwähnten Politiker Werner Müller, Gerhard Schröder, Wolfgang Clement alle zur rot-grünen Regierung. Ich habe weiterhin die Hoffnung, das sich unter der neuen Regierung in absehbarer Zeit der Wettbewerb erhöhen und so die Lage verbessern wird.
    Zu dem ungleichen Anstieg der Vermögens- und Arbeitseinkommen: Ich denke es ist schon mal eine gute Nachricht, das die Arbeitnehmereinkommen überhaupt steigen, nachdem sie in den letzten Jahren gesunken sind. Außerdem laufen steigende Unternehmensgewinne den Löhnen voraus - hohe Unternehmensgewinne heute bedeuten (normalerweise) Investitionen morgen. Das wird sich auch auf die Arbeitslosigkeit und die Löhne auswirken, sofern die Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen - da kann man angesichts der wirtschaftspolitischen Planlosigkeit schon skeptisch werden. In anderen Ländern funktioniert das übrigens:

    http://www.statistics.gov.uk/pdfdir/ashe1105.pdf
    http://www.opinionjournal.com/editorial/feature.html?id=110007749

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  4. Danke für die Links.
    Energie ist die Grundlage jeder Volkswirtschaft. Wer dort Monopole aufbaut, kann nicht nur die Preise diktieren, sondern auch die gesamte Wirtschaft beherrschen.
    Ich muss Sie korrigieren: Es gab keinen unterschiedlichen Anstieg der Arbeitseinkommen, jedenfalls nicht, beziehe ich die Inflation ein. Und nur das zählt. Nach Abzug der Inflationsrate haben im vergangenen Jahr weder Angestellte noch Arbeiter über mehr Einkommen verfügen können als im Jahr 2004.
    Und nun freue ich mich auf die OZ von morgen.

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  5. Anonym23.2.06

    Stimmt, laut Gutachten des Sachverständigenrates ist der Reallohn um 1,1% gesunken, nachdem er in den Vorjahren schwach angestiegen ist. Der von ihnen zitierte Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung liegt mir leider nicht vor. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch diesen Blog:

    http://blog.zeit.de/herdentrieb/

    Die Rolle der Energieversorger sehe ich übrigens genauso kritisch - Hier muss sich bald etwas ändern!

    Viel Spaß mit der OZ von morgen!

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