9. Oktober 2013

Wahrheitsentzug durch weglassen (aktualisiert)

Manche OZ-Leser müssen unter Entzugserscheinungen gelitten haben, denn schon ein par Tage lang war nichts über Aida Cruises an sie verscheuert worden. Blogleser wissen, dass das kritische Hochwertblatt faktisch die PR-Bude des Kreuzfahrtunternehmens ist, die Leute mit Entzugserscheinungen wissen es nicht. Sie würden sich sonst beschweren, dass sie die als redaktionelle Beiträge getarnte Reklame bezahlen müssen.

Heute nun gab es auf der sog. Wirtschaftsseite für alle Süchtigen (für alle anderen Leser natürlich auch) eine halbe Seite lang unverhohlene Reklame für einen Schiffsneubau.

Nun ist das Schiff weder heute noch morgen, auch nicht im kommenden Jahr fertig, sondern:
... sticht die „Aidaprima“ ab Juni 2015 von Hamburg aus in See. ...
Für das Blättle war es jedoch höchste Zeit für das Schiff zu werben. (Leider habe ich nicht mehr in Erinnerung, wann zuvor schon für das Schiff geworben wurde.)

Dieses Thema war dagegen nur eine Kurzmeldung wert, die zudem nur die halbe Wahrheit enthält (auch typisch hochwertig-kritisch):
Reallöhne in Deutschland stagnieren
Auch im Text täuscht die OZ durch weglassen vor, die Löhne stagnierten nur im Jahresvergleich:
Trotz teils kräftiger Tarifsteigerungen haben die deutschen Arbeitnehmer unter dem Strich nicht mehr Geld in der Tasche.
Das mag sein. Doch nicht alle Arbeitnehmer sitzen bildlich in einem Boot:
... Während sich für die leitenden Angestellten ein realer Anstieg um 1,3 % ergab, war es für normale Fachkräfte ein Abstieg um 0,8 %. Über den gesamten Zeitraum seit 1. Quartal 2007 konnten die leitenden Angestellten real bereits um fast 9 % zulegen, während es für Fachkräfte nur 1,2 % waren und für angelernte Arbeitnehmer sogar ein Abstieg um 0,9 % (Abb. 10002). Die oberste Leistungsgruppe verdient mehr als viermal so viel wie die unterste ... 
Die OZ weiß weiter zu berichten:
Die um 1,5 Prozent gestiegenen Nominallöhne wurden komplett von der gleich hohen Preissteigerung zunichtegemacht.
Ja, schlimm, diese schwindelerregende Preissteigerung. Dabei beträgt die Preissteigerung in D. seit Jahrzehnten durchschnittlich 2,5 Prozent.

Hallo, liebe Leser, die Preissteigerung fällt also aus als Grund für gleichgebliebene Löhne.

Hierfür war natürlich kein Platz, von wegen Vergleich und so:
... Der Wohlstand der 500 reichsten Deutschen ist alleine im letzten Jahr um mehr als 5 Prozent angestiegen. Selbst wenn ein Normalverdiener 5 Prozent Gehalt mehr erhalten hätte, sind bei ihm 5 Prozent eine ganz andere Dimension wie bei einem Milliardär. ...
Das Blättle hat es nicht drauf, die ganze Wahrheit zu schreiben - und das seit Jahren. Zu dieser Wahrheit gehört dies:
... Der eigentliche, aber gern verschwiegene Skandal ist, faktisch haben seit über zwei Jahrzehnten keine Reallohnsteigerungen stattgefunden.
Dazu auch dieser Kommentar zu all dem, was auch die OZ locker ausblendet, um sich nicht anstrengen zu müssen (Recherche und all dieser Quatsch) und Platz für Aida-Reklame zu haben.

Nachtrag:

Nie und nimmer im Hochwertblättle zu lesen wird dies sein, denn Ruhe sei die 1. Bürgerpflicht (die 2. Pflicht: kaufen, und sei es das Blättle):
Die sogenannte “Zeitung” “die Welt”, äußerste jüngst die Ansicht, der Lohnempfänger müsse “länger arbeiten, weniger Rente beziehen“. Dies ist nur die Krone einer Entwicklung, die Lohnabhängigen nicht einmal mehr den Status von Sklaven zubilligt. Die mussten nämlich zumindest durchgefüttert werden, während der immer mehr für immer weniger arbeitende “Angestellte” nur einen Lohn mitnimmt, der dazu ggf. nicht einmal ausreicht.
Dass es soweit kommt, dass sie sich das trauen, ist nicht allein durch sogenannte “Krisen” zu erklären oder die Macht des Kapitals. Das muss man sich erst mal bieten lassen – massenhaft und ohne auch nur den Verdacht zu erwecken, man könnte sich gegen solche Ungerechtigkeit auflehnen. ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google