2. Juli 2013

Wer sich nicht wehrt, macht was verkehrt

Geht es um die Folgen der Hartz-Gesetze, beweist die OZ seit Jahren komplette Ahnungslosigkeit, heute z.B. mit dieser verlogenen Schlagzeile:
Weil’s peinlich ist: Jeder Dritte verzichtet auf Hartz IV
Woher will der Schlagzeilenschinder das wissen. Es steht weder im OZ-Text noch im Forschungsbericht zu den Simulationsrechnungen. Kurz: Es ist eine freie Erfindung.

Es mag zwar einige Leute geben, die aus Scham auf das Geld verzichten. Wenn das so sein sollte, hat die OZ es mitzuverantworten, denn sie hat über Jahre hinweg dazu beigetragen, dass Alg 2-Berechtigte als Faulenzer, Betrüger angesehen werden, denen ordentlich eingeheizt werden muss. Mir kommt noch heute der kalte Kaffee hoch, wenn ich an die vielen Einträge denke, die immer wieder nötig waren, weil das Hochwertblatt nicht davon abließ, gefährlichen Unsinn über diese Leute zu verbreiten und im Gegenzug die betrügenden Behörden behördengläubig in Schutz nahm.

Es sind ganz andere Gründe für den Verzicht auf Alg 2, die im Text genannt werden:
... „Vor allem ältere Leute sind oft überfordert, die komplizierten Formulare auszufüllen“ ...
„Wer sich für alles Unterstützung holen muss, gibt schnell auf“, hat Beraterin Oehler festgestellt. Vor allem, wenn es „nur“ um zusätzliche 20 oder 30 Euro im Monat geht. ...
„In meinen Sprechstunden oder wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, wird mir immer wieder über Angst vor Sanktionen und entwürdigende Prozeduren in den Jobcentern berichtet“, sagte Landesvorsitzende Heidrun Bluhm. Das führe dazu, dass viele Anträge gar nicht erst gestellt würden. ...
Für eine Vielzahl von Leistungen seien ebenso viele Behörden zuständig – von der Ausbildungsbeihilfe bis zum Wohngeld. „Die Leute rennen von Pontius zu Pilatus. Wir bräuchten ein Bürgerbüro, in dem sich das alles mit einem Antrag regeln lässt“, schätzte Andreas Hampel ein. ...
Genau so ist es. Statt dass die Behörden helfen, werden per Bürokratisierung Hindernisse aufgebaut. Ich erinnere an den BA-Chef Weise, der schon 2006 so eine Ahnung hatte:
"Ich höre jedenfalls mit Erstaunen, dass gesagt wird, es nähmen eine Million mehr Menschen Leistungen in Anspruch als geplant", sagte Weise."Entweder erhalten also Menschen Leistungen, die ihnen nicht zustehen. Dann muss der Gesetzgeber sagen, wie er diesen Zustand beseitigt", erklärte der BA-Chef. "Oder es wurde fest eingeplant, dass etliche Leistungsberechtigte die Leistung nicht in Anspruch nehmen. Das wäre dann fahrlässig."
Die OZ veröffentlichte einen Kommentar zum Thema, der dies enthielt:
Die Sozialbürokratie ist wie ein Dschungel. Wer mutig ist und frech, kommt gut durch. 
Die behördengläubige, unternehmerfreundliche OZ hat über Jahre hinweg viel unternommen, um die Leute gegen Geld zu Duckmäusern zu erziehen.
Wie oft habe ich angemerkt: Wer sich nicht wehrt, macht was verkehrt. Viele Leute wehren sich erfolgreich gegen die Betrügereien der Behörden. Doch dazu gehören wenig Mut und gar keine Frechheit (schon wieder so eine rotzige kritisch-hochwertige Unterstellung), sondern Wissen, dem der Wissenserwerb vorangegangen ist.

Meine Erfahrungen mit Behörden verschiedener Art besagen, dass alles, was Behörden mitteilen, Wort für Wort geprüft werden muss. Das ist der eigentliche Skandal, der nämlich, dass wir alle mit Steuergeld die Ausbildung und Tätigkeit der Behördenmitarbeiter bezahlen und dafür an der Nase herumgeführt werden, weil Behördenmitarbeiter unfähig sind, bzw. der bildliche Gesetzesdschungel undurchschaubar ist, der übrigens undurchschaubar sein muss, damit sich Bürger möglichst nicht wehren können. Der sich wehrende Bürger ist dagegen gewöhnlich Behördenlaie, und von Medien wie der OZ hat er keinerlei Aufklärung zu erwarten. Im Gegenteil, gegen Bezahlung wird er mit solchen Märchen abgefrühstückt, denn Ruhe sei die 1. Bürgerpflicht. Insofern ist der Kommentar reine Heuchelei.

Dies kommt übrigens weder im Kommentar noch im Artikel vor, war aber die Fragestellung für die Simulationsrechnungen des IAB:
Der Ausschluss verdeckt armer Haushalte führt bei analoger Anwendung der Berechnungsmethodik gemäß RBEG zu einem Anstieg der mittleren Konsumausgaben in den neu abgegrenzten Referenzgruppen von gut 2 % bei den Alleinlebendenden und etwa 5 % in den Paarhaushalten mit einem Kind.
Das heißt, der sowieso schon zu geringe, verfassungswidrige Alg 2-Satz müsste um diese Prozente erhöht werden.

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