30. März 2012

Märchenstunde (aktualisiert)

Die offiziellen Zahlen zu Arbeitslosenquoten sagen wegen der Zählweise nichts über das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit in D. aus. Hinzu kommt in jedem Monat wieder der Leserverblödungsversuch mit dem Vergleich von Arbeitslosenzahlen, die sich nicht vergleichen lassen, wie z.B auf der Titelseite:
... Die Zahl der Arbeitslosen ist in Mecklenburg-Vorpommern im März im Vergleich zum Februar um 5500 auf 114 900 gesunken. Das ist der niedrigste Wert in einem März seit 1991. ...
Z.B. in der Usedomer Ausgabe:
... Die Arbeitslosenquote sank binnen Jahresfrist von 15,7 auf 14,9 Prozent. Das ist der niedrigste März-Wert im Agenturbezirk seit der Wiedervereinigung ...
Ich weiß nicht, warum OZ-Redakteure sich Monat für Monat so bildlich die Taschen vollhauen lassen und den Lesern die gefüllten Taschen auch noch verkaufen lassen. Den Redakteuren muss nämlich entgangen sein, dass die statistische Erfassung grundsätzlich geändert und die Gesetzgebung dutzende Male geändert wurde. Damit verböte sich von selbst, die geschönten aktuellen Zahlen mit den geschönten Zahlen von 1991 zu vergleichen.
Hauptsache, die Spalten sind mit Text gefüllt und es können gute Nachrichten verkauft werden. Anders kann ich mir die allmonatliche Leserverblödung nicht erklären.

Dabei könnten Redakteure, wenn sie denn wollten und könnten, auf Unmassen von Material zurückgreifen, die belegen, dass die Zahlen nicht nur wertlos sind, sondern eine Märchenwelt vorgaukeln:
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Hartz IV): arbeitslos, nicht arbeitslos (Kreisvergleich: 09/2011)
Deutlich weniger als die Hälfte der Männer und Frauen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind (erwerbsfähige Leistungsberechtigte; umgangssprachlich vielfach als "Langzeitarbeitslose" bezeichnet), ist arbeitslos im Sinne der amtlichen Statistik. Ein noch deutlich geringerer Anteil gilt im Sinne der amtlichen Statistik als "langzeitarbeitslos".Die Kreisvergleiche (insgesamt; Männer; Frauen; 15 bis unter 25 Jahre; 55 bis unter 65 Jahre) zeigen unter anderem, dass der Gestaltungsspielraum bei der „Produktion von Daten zur Arbeitslosigkeit“ (im Rechtskreis SGB II) auf Kreisebene nahezu „grenzenlos“ zu sein scheint.
Jeden Monat wieder werden u.a. hier die tatsächliche Zahlen veröffentlicht, allerdings mit zeitlicher Verzögerung.
Die Mär vom Vorbild Deutschland
Deutschland gehe es gut, ... weil hier vor einigen Jahren Arbeitsmarktreformen durchgeführt wurden, die Arbeitnehmerrechte einschränkten ("Flexibilisierung") und das Lohnniveau niedrig hielten, ja real sogar gesenkt haben. Außerdem wurden "ineffizient" wirtschaftende staatliche Bereiche privatisiert und für Konkurrenz geöffnet und Steuern gesenkt. All dies soll Arbeitslosigkeit abgebaut und Arbeitsplätze geschaffen sowie den Erfolg Deutschlands als Exportnation verbessert und zugleich den Schuldenstatus positiv beeinflusst haben.
Als Beweis für die Richtigkeit der These wird unter anderem angeführt, Deutschland habe die Krise besser überstanden als andere Euroländer und die Arbeitslosigkeit sei seit den Reformen erstmals tendenziell gesunken, der Export sei gestiegen. Nun sollen auch andere EU-Staaten ähnliche Reformen für "mehr Wettbewerbsfähigkeit" durchführen, weil ihnen dies aus der Schuldenkrise helfen werde.
All das ist höchstwahrscheinlich großer Unsinn. Denn keiner dieser angeblichen Zusammenhänge ist empirisch gut belegt. Im Gegenteil gibt es ernste Gründe, an den Thesen zu zweifeln.
...
Auf den Nachdenkseiten:
... Wie wenig diese Statistik über die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt aussagt, hat gleichfalls das Statistische Bundesamt erhoben. Danach würden insgesamt rund achteinhalb Millionen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren gern mehr arbeiten, als sie es derzeit tun können. Dazu gehören nicht nur die 2,7 Millionen statistisch ausgewiesenen Arbeitslosen und eine Million nicht gezählte Arbeitslose, sondern auch noch knapp 4 Millionen Unterbeschäftigte.Sicher man kann in einer Statistik nicht immer alle Daten gleichzeitig veröffentlichen, aber das heißt noch lange nicht, dass man sich die Statistiker des Bundesamtes als Propagandamittel missbrauchen lassen müssten.
In einem Gespräch mit Gerd Bosbach:
... Erst kürzlich hatte sich die Regierung noch dafür gefeiert, sie habe die Zahl der Arbeitslosen auf unter drei Millionen gedrückt. Einige Medien haben daraufhin kritische Nachfragen zum Zustandekommen dieser Statistik gestellt – aber war es nicht schon seit langem bekannt, daß die Erhebungsgrundlagen mehrfach geändert wurden?
Als ich jetzt im Urlaub las, daß es diese kritischen Nachfragen tatsächlich gab, hat es mich doch sehr gewundert – es war in der Tat bekannt. Es geht ja nicht nur darum, daß die über 58jährigen, die ein Jahr lang kein Jobangebot mehr bekommen haben, herausgerechnet werden. 1-Euro-Jobber wurden früher ebenfalls als arbeitslos mitgezählt, auch diejenigen, die in der beruflichen Weiterbildung sind. Die größte Frechheit wurde vor etwa zweieinhalb oder drei Jahren begangen, als verfügt wurde, Arbeitslose nicht mehr zu berücksichtigen, die an private Vermittler verwiesen wurden.
Die Bundesagentur für Arbeit versucht intern, ein wenig gegenzusteuern, indem sie in ihrer eigenen Statistik auch die Zahl der Unterbeschäftigten angibt. Im Dezember waren das 3,9 Millionen, es dürften jetzt vier sein – das ist also schon mal eine Million mehr, als jetzt vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen. Und dann sollte man noch bedenken, , daß 5,2 Millionen Menschen Arbeitslosengeld I oder II bekommen haben. Dazu kommen noch fünf Millionen, die als Arbeitssuchende gemeldet sind. Diese Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache, als die offiziellen Angaben. ...
Grundsätzlich wird zur Qualität der Arbeitsstellen keine Aussage getroffen. Kein Wunder, denn dazu steht ja auch nichts Kopierbares in den Monatsberichten (PDF, 1MB) der Bundesagentur für Arbeitslosigkeit. 

Hier nur ein alter Hinweis von Destatis, der besonders auf M-V zutreffen dürfte:
Über 40 % der Erwerbstätigen im Gastgewerbe arbeiteten 2010 in Teilzeit
Im Jahr 2010 arbeiteten in Deutschland 1,49 Millionen Personen in ihrer Haupttätigkeit im Gastgewerbe. Davon gingen 41,4 % einer Teilzeittätigkeit nach. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich der am 11. Februar in Stuttgart beginnenden Internationalen Fachmesse für das Gastgewerbe INTERGASTRA auf Basis von Ergebnissen des Mikrozensus mit. Mit einem Anteil von 57,8 % waren Frauen in dieser Branche deutlich überrepräsentiert. 42,5 % der Erwerbstätigen im Gastgewerbe waren im Alter von 15 bis 34 Jahren. Damit war der Anteil jüngerer Erwerbstätiger deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft, wo diese Altersgruppe nur 30,5 % aller Erwerbstätigen ausmachte.
...
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Erwerbstätigen im Gastgewerbe um 272 000 Personen gestiegen. Das entspricht einer Zunahme um 22 %. Im selben Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt lediglich um 6 %. Allerdings fand der Zuwachs im Gastgewerbe ausschließlich über Teilzeitbeschäftigung statt, die ebenfalls um 272 000 Personen zunahm. ... 
Die OZ schreibt lieber, welches Hotel wie viele Sterne hat und erhält, oder wo eines eröffnet wird. Was tatsächlich in Hotellerie und im Gastgewerbe los ist, erfahren die Bunkerbewohner unter den OZ-Lesern höchstens bruchstückhaft.

Hier aktuelle Zahlen:
5,333 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)14,512 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen – 254.000 (5,3%) weniger als im März 20113,028 Millionen registrierte Arbeitslose – 182.000 (5,7%) weniger als im März 2011

6 Kommentare:

  1. Anonym30.3.12

    Es kann nicht mehr lange dauern bis die Quote bei 0% liegen müsste...Vorwärts immer!

    M

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  2. Anonym30.3.12

    OT: Was habe ich da eben erlebt..? Ich muss es noch einmal versuchen. War es ein Systemfehler oder hat mein Link von gestern sein Ziel erreicht?

    M

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  3. Anonym31.3.12

    Gelüge wie zu besten DDR-Zeiten! Bald haben sie uns in die sogenannte "Vollbeschäftigung" getrixt.

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